Prozess #8 gegen Alexander L., Nik W., Sven H. und Kevin K.

Am 23. Januar begann am Amtsgericht Leipzig der 8. Prozess. Insgesamt 4 Angeklagte mussten sich an diesem Tag vor Gericht verantworten, darunter zwei Geraer. Einer der Angeklagten wird von einem ehemaligen NPD-Mitglied vertreten. Die Verhandung streckte sich über 2 Verhandlungstage. Sie alle wurden zu Freiheitsstrafen ohne Bewährung verurteilt, befinden sich jedoch zum Zeitpunkt des 20.05.19 in Berufung. Im Nachfolgenden ist unser Bericht über den Ablauf der Verhandlung dokumentiert.

Verhandlungstag 1

Am 23.01.2019 beginnt der nunmehr achte Prozess gegen die mutmaßlichen Täter hinter dem Neonazi-Überfall auf den Leipziger Stadtteil Connewitz am Amtsgericht Leipzig. An dieser besonderen Verhandlung sitzen insgesamt vier Angeklagte, darunter zwei Geraer, auf der Anklagebank. Angeklagt sind die zwei Leipziger Alexander L., vertreten durch die Rechtsanwältin Truthmann und Nik W., vertreten durch die Rechtsanwältin Linnemann sowie die Geraer Sven H., vertreten durch Rechtsanwalt Wölfel und Kevin K., vertreten durch Rechtsanwalt Waldschmidt. Die Staatsanwaltschaft wird, wie in den meisten Verhandlungen am Amtsgericht Leipzig bisher, vertreten durch Staatsanwältin Daute und Staatsanwalt Sprinz. Den Vorsitz der Verhandlung hat Richterin Höhme, die in den überwiegenden Fällen der bisherigen Verhandlungen anlässlich des 11.01.2016 am Amtsgericht die Urteile aussprach.

Besondere Verhandlung

Noch vor der Verhandlung ist klar, dass diese eine besondere wird. Vor dem Amtsgericht ist die Kundgebung „Kein Freispruch für Nazis und Justiz – kein Neonaziangriff wird vergessen“ am Vormittag angemeldet. Für die Verhandlung selbst gelten erhöhte Sicherheitsvorkehrungen. Beim Zutritt in den Saal werden Personalien kontrolliert, Aufzeichnungsgeräte wie Handys oder Tablets müssen abgegeben werden. Im Saal befinden sich unter den Zuschauern eine Hand voll Unterstützer der Angeklagten, darunter der Lok-Leipzig-Hooligan Thomas K., gegen den momentan ein Verfahren wegen des Anschlags auf die Wohnung des sächsischen Justizministers läuft und der ebenfalls beschuldigt wird, am Angriff auf den Stadtteil Connewitz beteiligt gewesen zu sein. Weiterhin anwesend ist Dörk L., ebenfalls aus dem Umfeld der Fanszene von Lok Leipzig.

Verfahrensabsprachen?

Während der Eröffnung der Verhandlung um 09:00 Uhr erklärt Richterin Höhme, es habe bereits am 06. Dezember 2018 ein Erörterungsgespräch zwischen den Verfahrensbeteiligten hinsichtlich einer möglichen Verständigung gegeben. Im Sinne der Anklage könne, so der Kern des Gesprächs, eine Bewährungsstrafe ausgesprochen werden insofern sich die Angeklagten auf glaubhafte Geständnisse einlassen. Sollten die Angeklagten gestehen, stünde ihnen eine Bewährungsstrafe zwischen einem Jahr und drei Monaten sowie einem Jahr und acht Monaten in Aussicht. Rechtsanwalt Waldschmidt, früher stellvertretender Landesvorsitzender der NPD Hessen, äußert direkt zu Beginn einen Einwand. Im Gegensatz zu der Schilderung der Richterin habe es ein Telefonat gegeben, in dem ihm gesagt worden sei, die Einlassung seines Mandanten würde in der vorliegenden Form nicht ausreichen. Richterin Höhme fragt daher nach einem Interesse, die Verständigungsgespräche fortzusetzen. Als die Verteidigung dem zustimmt wird die Öffentlichkeit aufgefordert, den Saal zu verlassen.

Nach über einer Stunde wird die Verhandlung um 10:10 Uhr fortgesetzt. Richterin Höhme erklärt anschließend, das keine Verständigung zustande gekommen wäre, weil Rechtsanwalt Waldschmidt der Verständigung nicht zustimme. Kern der Unstimmigkeiten seien der Strafrahmen, die Geständnisse und der Inhalt dieser gewesen. Die Angeklagten würden dem Vorschlag des Gerichts nicht zustimmen. Waldschmidt will schließlich vermerkt haben, dass die Verteidigung keine Entscheidung habe, sondern ihre Mandanten diese getroffen hätten. Alexander L. und Nik W. würden sich nicht einlassen wollen, Sven H. und Kevin K. würden keine Angaben zum Sachverhalt treffen. Rechtsanwältin Linnemann äußert dabei scherzhaft die Bemerkung, wenn es einen Dissens zwischen der Verteidigung und dem Gericht gebe, dann könne die Verhandlung nur im Falle eines Freispruchs heute noch beendet werden.

Da keine Einlassungen zu erwarten sind, führt Richterin Höhme die Beweisaufnahme ein. Es sollen Zeugen gehört werden.

Zeuge G. (Polizeibeamter)

Als erster ist der Polizeibeamte Herr G. geladen. Als dieser gefragt wird, was ihm in Erinnerung geblieben sei, antwortet er, dass er um 19:00 Uhr im Bereich des Hauptbahnhofs stationiert gewesen sei, um Legida abzusichern. Um 19:20 hätte seine Einheit die Mitteilung bekommen, dass es in Connewitz vermutlich zu einer „Spontandemo Links“ kommen würde. Nach der Bestätigung der Meldung sei er mit zwei Zügen Beamten losgefahren. Während der Anfahrt habe er die Meldung über die massive Verwendung von Pyrotechnik erhalten. Es habe unterschiedliche Angaben zum konkreten Ort des Geschehens gegeben. Sie hätten sich daher am Connewitzer Kreuz gesammelt und in der Wolfgang-Heinze-Straße eine größere Gruppierung sehen können. Diese „schwarze Masse“ sei in stadteinwärtiger Richtung gelaufen. Als er dies bemerkte habe er einen Zug zur Meusdorfer Straße geschickt, um die Gruppe zu umschließen. Sie versuchten dabei mehrfach, die Gruppe über ihre Ziele zu befragen. Als die Gruppierung umkehrte und Richtung Auerbachstraße lief, habe er immer noch den Eindruck gehabt, es handele sich um eine linke Gruppierung. Er selber sei mit seinem Zug über die Biedermannstraße in die Auerbachstraße gekommen. Als er dort ankam habe die Gruppe „recht geschlossen“ gewirkt. Es sei immer noch Pyrotechnik abgefeuert worden in Richtung der Wohnhäuser. Die Polizeibeamten hätten daraufhin Sperren errichtet und eine Ansprache abgehalten. Die Gruppe habe sich gegenüber der Polizei „entspannt“ verhalten. Relativ schnell sei klargeworden, dass es sich nicht um eine linke, sondern eine rechte Veranstaltung handele. Das Milieu entstamme teilweise dem Fußballumfeld. Einzelne Personen hätten versucht auszubrechen, die große Masse sei jedoch nicht weggekommen. Er vermute, dass „vielleicht 5“ entkommen seien. Seine Einheit habe ab der Auerbachstraße erst den vollständigen Zugriff auf die Gruppe gehabt.

In seiner Zeugenaussage beschreibt G. außerdem, dass es Ausbruchsversuche und Angriffe auf Polizeibeamte gab, weshalb sie Pfefferspray benutzen mussten. Zum Kleidungsstil bemerkt er, dass Kapuzen und Sturmhauben getragen worden seien, teilweise unter den Farbkombinationen blau/gelb (Lok leipzig) und rot/weiß (Hallescher FC sowie RWE Erfurt). Aufgrund des Drucks von außen auf den Kessel hätten die Beamten die Gruppe nicht entlassen können, weshalb sie sie zur Weiterbehandlung zunächst auf die Dimitrov-Wache in der Leipziger Innenstadt gebracht hätten. Der Transport habe jedoch Schwierigkeiten gehabt, der erste Transport sei gegen 21 Uhr losgefahren.

Die Befragung der Richterin bringt weitere Details hervor: Als 19:20 Uhr der Funkspruch eingegangen sei, habe es maximal 10 Minuten gedauert bis seine Einheit vor Ort eingetroffen wäre. Die Gruppe habe während der Kesselung gefesselt am Boden gelegen bzw. gesessen. Über einen Lautsprecherwagen wäre die Gruppe über den Tatvorwurf und die weiteren Maßnahmen informiert worden. Seine Kollegen hätten die massiven Schäden prüfen lassen. Von Anwohnern hätten sie den Hinweis bekommen, dass die Pyrotechnik auch in Geschäfte und Lokale geschossen worden sei. Ein Dachstuhlbrand wurde von der Feuerwehr gelöscht. Aus den Wohnhäusern wäre Pyrotechnik auf die Gruppe gefeuert worden, doch keine habe getroffen. Die Gegenstände die sie feststellten seien ohne Zuordnung aufgenommen worden. Darunter hätten sich Totschläger, eine Axt, „vielleicht ein Messer“, diverse Schlagwerkzeuge und Zaunslatten mit Nägeln befunden. Ein Plakat habe an einem Zaun an der Ecke der Auerbachstraße gelegen. Er selbst habe keine der Beschädigungen gesehen, nur die Verwendung von Pyrotechnik. Bei der Gruppe habe es sich um „weit über 100 Personen“ gehandelt. Bei seinem Ankommen hätten sich Einzelne rechts und links von der Gruppe befunden, alle seien jedoch geschlossen in die Auerbachstraße gebogen. Die Möglichkeit zu fliehen habe bestanden, was er und seine Kollegen jedoch nicht hätten kontrollieren können. Denkbar sei ein Fluchtweg über den Herderpark. Aus der Gruppe habe niemand geäußert, fälschlich festgesetzt worden zu sein. Die Möglichkeit, sich den Beamten gegenüber zu äußern habe jedoch bestanden. Zwei weibliche Personen seien nicht festgesetzt worden, weil diese augenscheinlich nicht zu der Gruppe gehört hätten. Er selbst habe Personen aus der Hooliganszene von Einsätzen zu Spielen von Dynamo Dresden und Lok leipzig erkannt. Insgesamt hätten sie 216 Personen festgesetzt.

Anschließend beginnt Staatsanwältin Daute ihre Befragung. Was der genaue Funkspruch gewesen sei beantwortet G. damit, dass es zwei gegeben habe. Der erste habe von einer ca. 150 Personen großen Gruppe gesprochen, die geschlossen laufe und den Eindruck einer Spontandemonstration erwecke. Der zweite Funkspruch, den er auf der Anfahrt erhalten habe, habe davon gesprochen, dass die besagte Gruppe auf der Meusdorfer Straße laufe und Zaunslatten mit sich führe. Es sei außerdem der Hinweis gefallen, dass seine Einheit die „Eigensicherung beachten“ solle. Er schildert weiterhin, wo seine Einheit langgefahren sei.

Rechtsanwalt Waldschmidt ergreift das Wort mit der Forderung, aufgrund seiner mangelnden Ortkenntnisse und der dadurch fehlenden Vorstellung das Geschehen auf einer Luftbildakte ansehen zu können. Der Zeuge wird daher zum Richterpult gebeten, die Staatsanwaltschaft und Verteidigung folgen den Erläuterungen am Pult der Richterin. Währenddessen schüchtert einer der Unterstützer der Angeklagten die anwesende Öffentlichkeit verbal ein. Umkreist von Anwält_innen äußert sich der Zeuge G. weiter. Rechtsanwalt Waldschmidt nutzt diese Situation, um die Staatsanwaltschaft in ihrer Befragung zu unterbrechen und selbst eine Befragung durchzuführen. Er spekuliert dabei über „linksradikale Gewalttäter“. Die Staatsanwaltschaft beendet ihre Befragung des Zeugen daraufhin.

Die Verteidigung kommt in Person von Rechtsanwältin Linnemann zu Wort. Sie setzt Waldschmidts Intention fort und befragt den Zeugen nach linker Gewalt. In einer Art Kreuzfeuer stellen die verschiedenen Verteidiger abwechselnd Fragen an den Zeugen. Linnemann fährt fort mit der Frage, wie viele Personen des „Gegenklientels“ da waren und was diese gemacht hätten. Herr G. kann dazu keine genauen Angaben machen, der erste Zug aus der Herderstraße sei jedoch massiv mit Steinen angegriffen worden. Von den Angreifern hätten sie keine Person festsetzen können. Anwältin Truthmann hält ihm vor, dass der Vorwurf des schweren Landfriedensbruchs bestünde, sie jedoch bei der Festsetzung keine genaue Ansprache gehalten hätten. Ebenfalls entgegen hält sie ihm, die Beamten hätten die festgestellten Gegenstände nicht einzeln verpackt. G. entgegnet auf weitere Fragen, er habe den Zug mit den Einsatzwagen kommandiert, sei deshalb nicht in der ersten Reihe bei der Festsetzung gewesen. Die Gruppe sei jedoch nicht zusammengeschoben worden, sondern die ganze Zeit geschlossen geblieben. Aufgrund seiner Einsätze bei Fußballspielen kenne er dieses (Gruppen-)Verhalten, niemand ginge zu so etwas einzeln oder allein. Ob er ihren Mandanten, Nik W., erkannt habe, verneint der Polizist G.

Als dritter Verteidiger beginnt Andreas Wölfel seine Befragung des Zeugen danach, ob die Gruppe sich allmählich vergrößert habe und stellt die Einsehbarkeit des Geschehens in Frage. Bei seinem Eintreffen, antwortet G., sei die Masse über 100 Personen groß gewesen. Eine genauere Schätzung sei allerdings aufgrund der Witterungsverhältnisse nicht möglich gewesen. Die Gruppe sei überwiegend schwarz gekleidet gewesen. Die Lichtverhältnisse in der Auerbachstraße schlecht, die Wolfgang-Heinze-Str. jedoch umfassend beleuchtet gewesen. Auf die Frage wie weit sich das Bild der Verwüstung erstreckt habe könne er keine Antwort geben. Wie lange es dauern würde, von Legida bis nach Connewitz zu kommen schätzt der Zeuge auf einen ca. 60-minütigen Fußmarsch. Waldschmidt hält ihm daraufhin vor, dass es sich um eine Distanz von knapp 3 km handele, ob er angesichts dessen bei seiner Schätzung bleibe, weil „ein durchschnittlicher Fußgänger 6km/h“ laufe. Es entbrennt ein Streit zwischen Waldschmidt, Wölfel und dem Zeugen darüber, wie schnell man zu Fuß ist. Der Polizist G. soll angeben, ob er öfter bei Legida war und ob ihm bekannt sei, dass im Zusammenhang damit öfters Autos beschädigt worden seien. Es sei bekannt, dass Teilnehmende am Legida-Aufmarsch ihre PKW entfernt parken würden, damit diese nicht beschädigt werden. Der Zeuge antwortet darauf, dass Legida im Norden Leipzigs stattgefunden hat und dieser Stadtteil als „relativ sicher“ gelte. Waldschmidt setzt seine Befragung fort, in dem er suggeriert, man könne seinen PKW aus Schutz „vor linksextremem Klientel“ in einiger Entfernung abstellen. Es folgt ein kurzes Wortgefecht zwischen Staatsanwaltschaft und Waldschmidt, in dem dieser äußert es existiere in Leipzig ein „hochgewaltbereites linksextremes Publikum“. Der Zeuge führt weiter aus, das man im Falle eines erkennbar rechten PKW diesen nicht in Connewitz abstellen würde, um Beschädigungen vorzubeugen. Waldschmidt äußert schließlich die Bemerkung, dass er es bedauert habe, „keine 9mm eingepackt“ zu haben, als er erfuhr wo die Verhandlung stattfindet. Das Gericht hört diese Bemerkung. Er fährt fort mit der Frage, ob der Zeuge „als Staatsvertreter“ Befürchtungen habe, wenn es zu „linksextremen“ Veranstaltungen käme. Dieser entgegnet, er habe sonst keine Befürchtungen, aber an jenem Abend habe er welche gehabt. Angst sei es nicht gewesen, aber die Absicherung der Festgesetzten sei nur schwer möglich gewesen. Seine Befragung endet damit.

Zeuge K. (Polizeibeamter)

Als zweiter Zeuge tritt in dieser Verhandlung der Polizist K. auf. Seiner Einschätzung nach habe es ca. 5-7 Minuten gedauert, bis sein Zug vor Ort eingetroffen sei. Dort hätten sie eine relativ geschlossene Gruppe wahrgenommen, einzelne 4er-Grüppchen hätten sich am Rand befunden, seien beim Eintreffen der Beamten aber wieder in die Gruppe gegangen. Seltsam sei gewesen, dass sich die Gruppe sich nicht zersplittert habe wie es bei linken Spontandemonstrationen üblich sei. Der Mob habe sich szenetypisch zurückgezogen. Er selbst habe keine Beschädigungshandlungen beobachten können, sah jedoch überall Steine, zerbrochene Flaschen und Scheiben herumliegen. Teilweise sei seine Einheit mit Pyrotechnik „begrüßt“ worden. Die Erscheinung der Personen beschreibt K. als schwarzer Mob. Während der Festsetzung habe sich dieser Eindruck verstärkt. Die Festgesetzten hätten überwiegend Jeans und schwarze Hoodies angehabt. Von nichts bis zu einer Vollvermummung sei alles dabei gewesen, der überwiegende Teil sei vermummt gewesen. Rufe habe er ebenfalls mitbekommen, könne sich jedoch an den Inhalt nicht mehr erinnern. In der Auerbachstraße habe er einen Rädelsführer mit einer Axt bemerkt, der zu ihnen gerufen haben soll: „Haut ab, wir wollen nichts von euch“ und „Scheiß Zecken“ sowie „Verschwindet!“. Auf Nachfragen der Richterin, ob er gesehen habe wer die Beschädigungen beging, bemerkt der Zeuge K., dass er sich wunderte. Er habe sich gewundert, warum Linke ihre eigene Kneipe angreifen sollten. Während der Festsetzung hätten die Polizeibeamten nicht sofort intervenieren können, die Beschuldigten hätten begonnen, sich der mitgeführten Gegenstände zu entledigen und diese unter die parkenden Autos zu schieben. Darüber hinaus seien Dinge über die Grundstückszäune geworfen worden. Dabei habe es sich um Pyrotechnik und Schlagstöcke gehandelt. Unter Kontrolle sei die Situation erst gewesen, als die Gruppe den Aufforderungen der Beamten gefolgt sei. Die Richterin setzt ihre Befragung damit fort, nach dem Verhalten der Gruppe während der Festsetzung zu fragen. K. beschreibt das Verhalten als „widerwillig kooperativ“. Ausbruchsversuche hätte es keine gegeben, auch keine Aggressionen gegenüber seiner Einheit. Niemand habe angegeben, fälschlich festgesetzt worden zu sein. Er selbst sei bis zum Abtransport vor Ort geblieben.

Staatsanwältin Daute fährt fort. Der Polizist K. stellt sich ihrer Befragung mit der anfänglichen Aussage, am Connewitzer Kreuz nicht beobachtet zu haben, ob Personen wegrannten. Es habe jedoch ein Zeichen/einen Ruf gegeben wie „los Jetzt“. Passanten seien zu der Zeit nicht auf der Straße gewesen, auch ein „linkes Klientel“ sei erst nach den Geschehnissen eingetroffen. Er habe in der Gruppe einzelne Gesichter erkannt, weil er diese durch langjährige Erfahrung kenne. Einige seiner Kollegen seien zu ihm gekommen und hätten bemerkt, sie würden ebenfalls diesen oder jenen kennen.

Für die Verteidigung beginnt Linnemann wieder mit der Befragung, daraufhin Truthmann, Wölfel und Waldschmidt. Ob er jemanden aus dem Saal wieder erkenne bejaht der Polizeibeamte. Hinter ihm säße der sogenannte „Leuchtturm von Lok“, Thomas K. Auf die Aufforderung eine genauere Beschreibung des vermummten Mobs zu geben äußert der Beamte erneut er habe Schlagwerkzeuge gesehen, die Straße sei „zerdeppert“ gewesen, Mülltonnen hätten gebrannt. Unter einem Auto habe er später selbst einen Teleskopschlagstock festgestellt. In Erinnerung geblieben sei ihm außerdem ein heller Axtstiel. Aggressionen habe er keine bemerkt. Erst nach der Kesselung seien Rufe erfolgt. Augenscheinlich, so fährt K. fort, wäre sich die Gruppe uneins gewesen. Einige hätten gesagt „los, drauf jetzt, drauf!“, andere wollten sich der Gewalt gegen die Polizei nicht anschließen. Aus der Gruppe sei niemand auf sie zugekommen und hätte nach Hilfe gefragt. Die Möglichkeit dazu habe jedoch bestanden. Er selbst sei mehrere Runden durch die Gruppen gegangen. Zu Beginn der Festsetzung hätten es 4-5 Personen geschafft, über die Zäune zu fliehen. Eine konkrete Antwort auf die Frage der Verteidigung, ob es nicht sein könne, dass Einzelne gar keine andere Wahl gehabt hätten, als der geschlossenen Gruppe zu folgen lässt der Zeuge K. offen. Auf die Nachfrage, ob er an der Sammlung der Beweismittel beteiligt gewesen sei antwortet er, nach der Organisation der Gefangenentransporte hätten sie die Beweismaterialien festgestellt, auch die unter den Autos. Seiner Erinnerung nach hätten sie „alle eingesammelt“.

Truthmann beginnt ihre Befragung damit, ob die Kneipe Könich Heinz „unbemannt“ gewesen sei. K. erklärt, in der Kneipe Heinz habe es keine Bewegung gegeben. An der Auswertung der Mobilfunkdaten sei er nicht beteiligt gewesen. In der Gruppe habe es einzelne gegeben, die zur Gewalt gegen Polizisten aufriefen. Es sei jedoch kein geschlossenes Bild entstanden, einige hätten solch ein Vorgehen „nicht aussichtsreich“ gefunden. Angaben zu ihrem Mandanten Nik W. könne er nicht machen. Truthmann fragt abschließend, ob ihr Mandant „also keine Szenegröße“ sei, zieht die Frage jedoch sofort zurück.

Währenddessen bedrohen etliche im Publikum anwesende Neonazis die anwesenden Zuschauer. Neben sexistischen Bemerkungen äußert Dörk L. den Satz „wir kriegen euch alle!“.

Es beginnt die Befragung durch Wölfel. Der Zeuge K. gibt in seinen Antworten zu verstehen, ein homogener Eindruck der Gruppe habe sich für ihn aus der Kleidung und dem Bewegungsstil der Gruppe ergeben. Diese habe sich zusammen bewegt, es seien Rufe gefallen wie „Hier Lang!“. Der Mob sei auf der Wolfgang-Heinze-Straße verteilt von links bis rechts gelaufen und habe sich langsam geschlossen zurückgezogen. Was er unter Vermummung verstehe beantwortet K. damit, dass hierbei Tücher und Sturmhauben gemeint sind, die unterschiedlich getragen wurden. Erst als alles vorbei war habe sich die Gruppe entmummt. Einzelne seien auch ohne Vermummung gewesen. Unter einem Rädelführer, so antwortet K. auf die nächste Frage, verstünde er jemanden, „der den Willen der Gruppe formuliert und ein gemeinsames Handeln bewirken will“. Ob sein Mandant Sven H. diesem Rädelsführer gefolgt sei könne K. nicht einschätzen. Welche Erkenntnisse ihm polizeilich vorliegen über die Distanz zwischen dem Ort des Parkens bis zum Ort des Geschehens schätzt der Zeuge auf ca. einen halben Kilometer. Die angegriffenen Autos seien überwiegend von außerhalb gewesen.

Waldschmidt fordert erneut, die Erklärungen des Zeugen auf einer Karte sehen zu können. Er beginnt anschließend seine Befragung. Ob man als „ängstlicher Bürger“ sein Auto für eine Legida-Demo auf dem Netto-Parkplatz in Connewitz abstellen könne, weil in der Nähe ein Polizeiposten sei, verneint der Zeuge mit der Bemerkung, dass die Wache vom Parkplatz aus überhaupt nicht zu sehen ist und der Süden generell „erkennbar keinen Sinn [macht] zum Parken“, wenn das Ziel Legida in der Innenstadt ist. Es werden Suggestivfragen und Spekulationsfragen gestellt. Waldschmidt fragt auch, ob dieser Rädelsführer vom hinteren Teil der Demo zu sehen gewesen wäre. Der Polizist K. beantwortet dies damit, dass diese Person den Axtstiel hoch über seinen Kopf schwang und es denkbar sei, dass man das aus dem hinteren Teil erkenne. Gegen eine gemeinsame Gruppe würde es sprechen, fährt Waldschmidt fort, wenn die an der Total Tankstelle in Connewitz abgeparkten Autos nicht seinem Mandanten zuzuordnen wären. Seinen Mandanten habe der Zeuge in der Gruppe nicht erkannt.

Bevor die Befragung des Zeugen beendet wird ergreift Truthmann nochmal das Wort. Ob und wie die Beamten Reizgas verwendet hätten will sie wissen. Der Zeuge bejaht die Nutzung davon zuerst und beschreibt das Vorgehen als „Sprühstoß“ um den Angriff aus der Gruppe abzuwehren. Dabei wäre es zu einer Rangelei gekommen, die nach der eben beschriebenen Uneinigkeit der Gruppe entstanden sei. Die Befragung des Zeugen K. endet damit um 13 Uhr.

Waldschmidt beanstandet die Aussage des Zeugen, weil diese nur gezeigt hätte, dass sein Mandant Kevin K. nicht Teil der Gruppierung gewesen wäre. Waldschmidt stört die Verhandlung mit mehreren Kommentaren, in denen er unter anderem fordert, das Gericht solle selbst ermitteln, die Verhandlung unterbrechen und zu einem Fortsetzungstermin laden, bis die ihm fehlenden Angaben vorlägen. Die Staatsanwaltschaft verweist daraufhin auf die der Verhandlung zugrundeliegenden Akten, die auch Waldschmidt vorlägen. In diesen würden sich alle Angaben befinden, nach denen er verlangte. Waldschmidt fährt jedoch damit fort, dass sein Mandant erst bei der Kesselung festgesetzt worden sei. Unklar sei für ihn ob K. „von Anfang an dabei war“. Über einen vermeintlichen Zulauf zu der Gruppe lägen keine Erkenntnis vor, die Aussage des Zeugen K. sei daher „wenig ergiebig“ in Bezug auf die mutmaßliche Täterschaft seines Mandanten.

Zeuge F. (Polizeibeamter)

Der nächste geladene Zeuge, Herr F., ebenfalls Polizeibeamter, sei zum Geburtstag von Legida als Teil der Reservekräfte im Bereich der Innenstadt stationiert gewesen. Als er sich um 19:15 Uhr am Trödlinring befunden habe, sei die Nachricht über eine große Gruppe in Connewitz eingegangen. Er sei zu diesem Zeitpunkt davon ausgegangen, dass dort Ausschreitungen zu erwarten seien. Während der Anfahrt über die Arthur-Hoffmann-Straße, einen anderen Weg als die anderen Polizeieinheiten fuhren, sei die Meldung erfolgt es handele sich um 250 Personen, die bereits Sachbeschädigungen begangen hätten. Über die Bornaische und Meusdorfer Str. sei seine Einheit schließlich auf die Wolfgang-Heinze-Straße gefahren. Auf Höhe der Auerbachstraße habe er in dieser eine geschlossene Gruppe gesehen und sei davon ausgegangen, dass das Polizeirevier angegriffen würde. Sie seien daraufhin umgedreht, über die Herderstraße auf die Biedermannstraße gefahren und dort ausgestiegen. Eine „sehr homogene“ Gruppe habe sich bei ihrer Ankunft ungefähr auf der Hälfte der Auerbachstraße befunden. Sie hätten dieser Gruppe die Aufforderung erteilt sich hinzulegen. Die Gruppe sei dem gefolgt. Über Funk sei ihnen bekannt gewesen, dass Pyrotechnik verwendet wurde und Sachbeschädigungen begangen wurden. Die Kleidung der Gruppe schildert F. als großteils dunkel, teilweise vermummt und mit Kapuzen auf. Der Großteil habe Gegenstände in den Händen gehalten, unter anderem abgetrennte Stromkabel, die als Schlagwerkzeuge nutzbar seien. Ein Teil der Gruppe habe versucht über die angrenzenden Grundstücke zu fliehen, die Versuche seien jedoch misslungen, ca. 2-3 Personen hätten es jedoch geschafft über die Zäune zu entkommen. Bis zu diesem Zeitpunkt sei er weiterhin davon ausgegangen, dass es sich um eine Spontandemonstration von links handele. Als er jedoch viele Gesichter von anderen Einsätzen erkannt habe sei ihm klargeworden, dass es sich um eine rechte Gruppierung handelt. In ihrem Verhalten sei die Gruppe nach dem Einschluss „relativ ruhig“ gewesen. Bei einem Teil hätten sie jedoch unmittelbaren Zwang ausüben müssen. „Natürlich“ sei klar gewesen, dass eine Abschirmung der festgesetzten Gruppe Priorität habe, aufgrund einer „massiven Resonanz von Links“. Ein Anwohner hätte ihm gegenüber zum Ausdruck gebracht, dass alle Linken aus der Innenstadt nun unterwegs nach Connewitz wären. Relativ schnell seien einige linke Gruppen angekommen, welche versucht hätten in die Auerbachstraße zu gelangen. Als die festgesetzte Gruppe sich ruhig und geordnet verhalten habe hätten seine Kollegen das Identitätsfestellungsverfahren angekündigt. (kurz: IDF). Sein Zug sei damit beauftragt worden, den Gefangenenbus zu holen. Mit seinem Zugführer sei F. daher nach ca. 45 Minuten zur Selnecker Straße gegangen, nachdem sie sich hätten durch linke Gruppen „durchkämpfen“ müssen. Der Bus hätte in die Wolfgang-Heinze-Straße fahren sollen. Als sie versucht hätten alle zu dieser Zeit Gefesselten in den Bus zu bringen hätten sie ihnen noch einmal die Information gegeben, was warum passieren würde. Eine BFE-Einheit habe währenddessen Angriffe von außen abgewehrt. Die Beschuldigten seien anschließend zur Gesa (Gefangenensammelstelle) gebracht worden, was jedoch aufgrund massiver organisatorischer Probleme sehr lange gedauert habe. Es seien schließlich immer mehr Transporte in der Wache angekommen. Über einen Lautsprecherwagen seien die Beschuldigten nochmals über den ihnen zur Last gelegten Vorwurf sowie das weitere Vorgehen informiert worden. Die Beschuldigten seien anschließend einzeln in Gewahrsam genommen worden. Eine lange Zeit hätten alle Festgesetzten jedoch noch draußen gestanden. Gegen Mitternacht hätten sie schließlich eine Kantine organisiert, die als provisorische Gesa umfunktioniert worden sei. Gegen ca. 5 bis 6 Uhr am Folgetag sei die Gruppe schließlich entlassen worden.

Die Richterin fordert in ihrer Befragung erneut Angaben zu den bereits durch vorige Zeugen vorgestellten Sachverhalten, u.a. dazu wann der Zeuge die Gruppe zuerst bemerkt habe, was der Inhalt des Funkspruchs gewesen sei, ob er selbst Sachbeschädigungshandlungen wahrgenommen habe, ob und wo er die Schlagwerkzeuge bemerkt habe und ob und wie viele Vermummte er bemerkt habe. Er selbst sei während der IDF auf der Station „Überwachung und Untersuchung“ positioniert gewesen. Im Fortgang soll er sich zum Hergang zwischen der Festsetzung und dem Abtransport äußern. Dazu sagt er, die Situation sei schwierig gewesen, weil nach kurzer Zeit erste Gegengruppierungen zu den vermeintlichen Randalierern eingetroffen seien. Dadurch habe er sich die Frage gestellt, wie der Abtransport möglich sein könnte. Auch F. schildert, er habe unter den Festgesetzten durch Einsätze bekannte Gesichter aus dem Umfeld von Legida erkannt. Rufe habe er während des Geschehens nicht wahrgenommen.

Linnemann erkundigt sich bei dem Zeugen nach den Wetterverhältnissen, den Hinweisen auf eine homogene Gruppe, nach der Kleidung der Gruppe, nach der Außenwirkung und ob er eine Organisationsstruktur habe wahrnehmen können. Die Gruppe sei zusammenhängend als Masse, als „schwarze Wand“ aufgetreten, es sei auffällig gewesen das bei der Festsetzung alle gewartet hätten. Es sei jedoch der Eindruck entstanden in der Gruppe würde die Auffassung bestehen, sie wüsste nicht wie es weiter ginge. Sie hätten bei der Festsetzung mit relativ geringer Gegenwehr zu kämpfen gehabt, ein Rädelsführer sei für ihn nicht erkennbar gewesen. Seiner Einschätzung nach handele es sich bei der Gruppe um eine, die sich bereits vorher getroffen habe. Sie sei nicht planlos durch die Gegend gelaufen. Auch der Zeuge F. gibt zu verstehen, dass es einige Fluchtversuche gegeben habe. Diese seien jedoch missglückt. Er selbst habe vor Ort eine organisatorische Funktion innegehabt und könne deswegen keine Angaben dazu machen, ob sich jemand versuchte den Maßnahmen zu entziehen. Im Raum des Gerichts könne er keinen der Festgesetzten wiedererkennen. Zu weiteren Fragen antwortet er, es habe einen Raketenbeschuss von der Straße gegeben und sie seien von einer Anwohnerin gebeten worden, den Hinterhof zu durchsuchen. Einige der Täter hätten sich darin zurückgezogen. Die Festgesetzten hätten zum Zeitpunkt des Kessels noch abgetrennte Stromkabel in den Händen gehalten mit einem Durchmesser von 3cm sowie Quarsandhandschuhe. Die Axt habe er erst später bemerkt. Er selbst sei an der Sammlung der Beweismittel beteiligt gewesen und habe sie aufgehoben und in einen Wagen gepackt. Die Anwältin erkundigt sich daraufhin genauer nach dem Vorgehen während der Sicherung. Der Zeuge schildert, er habe die Gegenstände aufgehoben und in den Kofferraum gelegt. Dabei habe er darauf geachtet, die Gegenstände nicht übereinander zu lagern. Er selbst habe an dem Abend keine Fesselungen vorgenommen. Teilweise hätten sie den Beschuldigten die Fesseln vor der Überbringung in den Sammeltransport abgenommen. Ob es möglich sei, dass DNA der Beschuldigten über den Kontakt auf die Materialien gelangt sei beantwortet F. damit, dass seine Fachkompetenz mit einer solchen Frage überschritten würde. Es sei jedoch fast unmöglich, so der Zeuge weiter, dass dies passierte. Er und seine Kollegen, die die Sicherung vornahmen, hätten keinen der Gefesselten angefasst.

Anwältin Truthmann setzt die Befragung fort. Dabei muss sich F. dazu äußern, ob die Angaben in seinem (nach dem Geschehen geschriebenen) Sachbericht der Wahrheit entsprächen. Er antwortet, dass ihm keine Identität der Beschuldigten bekannt gewesen sei, es aber Videoaufzeichnungen gebe.

Es beginnt die Befragung durch Wölfel. Dieser erkundigt sich zunächst nach der Anzahl an sichergestellten Gegenständen. F. Äußert dazu, dass es eine Axt, mehrere Zaunslatten, mehrere Stromkabel und andere Gegenstände gegeben habe, die er selbst jedoch nicht gezählt habe. Es handele sich nach einem Überblick jedoch um eine größere zweistellige Zahl. Er hält ihm die Aussage seines Berichts vor, in der es heißt die Gruppe sei auf ca. 300 Personen angewachsen. F. kommentiert dies damit, dass sie lediglich 215 Personen festsetzen konnten. Eine solche Schätzung wie in seinem Bericht sei jedoch schwierig. Als Begründung führt er einen Einsatz in Plauen an, bei dem die Schätzung seiner Beamten sehr weit entfernt von der realen Größe gewesen sei. Aus 80 Geschätzten worden in der Wirklichkeit 400 Personen. Erkenntnisse über das Anwachsen oder Absinken der Beschuldigtenzahl in Connewitz habe er nicht. Auch über die genaue Strecke oder den Ablauf der Sachbeschädigungen könne er keine Angaben machen. Er selbst habe öfters rechte Veranstaltungen bekleidet. Bei Legida sei es typisch, dass alle Teilnehmenden schwarze Kleidung trugen, bei Veranstaltungen des 3. Weges sei es die Farbe Rot gewesen. Eine Zusammengehörigkeit ergebe sich für ihn nicht allein aus den Farben der Kleidung, sondern auch durch den Stil des Auftretens, der wie eine Marke wirke.

Als Rechtsanwalt Waldschmidt seine Befragung beginnt, beleidigen erneut einige der Unterstützer der Angeklagten Teile der Öffentlichkeit sexistisch. Er eröffnet seine Befragung mit der Bemerkung nach der Sorge des Zeugen um das Polizeirevier. „Sind wir hier im Bürgerkriegsland?“ äußert er, um auf die Angriffe linker Gruppen zu zielen. Nach Zwischenrufen aus dem Publikum spricht er den 12.12.2015 an, während dieser Ereignisse seien 69 Beamte verletzt worden. Es beginnt eine kontroverse Auseinandersetzung zwischen Waldschmidt, der Staatsanwaltschaft und dem Gericht über spekulative und verfahrensrelevante Fragen, über Suggestivfragen und Mutmaßungen. Waldschmidt will danach wissen ob es Pyrotechnik gab, die nicht von der Gruppierung ausging. Der Zeuge antwortet es habe eine Rakete gegeben, die auf die Gruppierung gefeuert worden sei. Waldschmidt kommentiert dies mit einem „besonders aggressiven linksradikalen Potential“. Erneut fordert die Richterin Höhme, solche Mutmaßungen seien irrelevant für das Verfahren. Die Befragung des Zeugen endet damit.

Zeuge A. (Anwohner)

Nachfolgend wird Zeuge A., ein Anwohner geladen. Dieser habe gegen 9 / 10 Uhr Abends einen Tumult und eine Knallerei bemerkt. Er habe Vermummte auf der Wolfgang-Heinze-Straße bemerkt, wie sie am Connewitzer Kreuz randaliert hätten. Daraufhin habe er angefangen das Geschehen zu filmen. Wie viele es gewesen seien könne er nach der ganzen Zeit kaum noch schätzen, die Gruppe sei verteilt über die Straße gewesen. Auf einen Blick habe er 40-50 Personen erkennen können, die er erstmals am Herderpark gesehen habe. Die Gruppe habe ziemlich bedrohlich gewirkt. Ein sehr lauter Knall – ein explosiver Gegenstand der in einen Dönerladen geworfen wurde, habe in ihm den Eindruck hinterlassen. Es sei die Rede von einer Kugelbombe gewesen. Türen wurden eingetreten, Scheiben eingeworfen. Beispielhaft habe er dies an der Kneipe Goldfisch beobachten können. An Autos seien Spiegel abgetreten und Scheiben eingeschlagen worden. In seiner Wohnung sei zu der Zeit noch Licht angewesen, er habe es später jedoch ausgeschaltet. In eine Buchhandlung seien Bengalos geworfen wurden. Eigentlich sei es die ganze Zeit zu Beschädigungshandlungen gekommen. Ob alle aus der Gruppe daran beteiligt gewesen seien könne er nicht sagen. Er habe das Geschehen vom Herderpark aus bis zum Connewitzer Kreuz beobachten können. Zur Kleidung bemerkt er, es sei dunkle Kleidung gewesen. Die Täter seien maskiert gewesen. Das Geschehen habe ca. 7-9 Minuten gedauert, Schlagwerkzeuge habe er in dem Moment nicht erkennen können. Er habe jedoch bemerkt wie ein Großteil der Masse beim Eintreffen der Polizei in die Auerbachstraße bog. Ein kleiner Teil sei in die Herderstraße geflüchtet. Von seinem Auto seien die Scheinwerfer und Rückspiegel demoliert worden, was er jedoch nicht zur Anzeige gebracht habe.

Die Staatsanwaltschaft beginnt ihre Befragung nach Rufen. Der Zeuge A. sagt aus, er könne sich an den Wortlaut nicht mehr erinnern, aber es habe auf jeden Fall Schreie gegeben. Auf die Seitenstraße habe er keinen Einblick.

Anschließend beginnt die Verteidigung die Befragung des Zeugen. Linnemann fragt dabei nach aufsteigenden Feuerwerkskörpern, Truthmann nach der Größe der Gruppe die er im Blick hatte. Wölfel fordert wieder die Karteneinsicht.

Während sich die Verteidigung, der Zeuge und die Staatsanwaltschaft am Richterpult befinden unterhalten sich die Angeklagten untereinander und mit ihren Unterstützern im Publikum. Dabei fallen Informationen über die persönlichen Daten des Zeugen. Schließlich reicht ein Unterstützer dem Angeklagten Kevin K. einen Zettel, woraufhin dieser in die Akte seines Anwalts schaut, etwas sucht, auf den Zettel schreibt und seinem Unterstützter im Publikum zurückgibt. Als ein Zuschauer das Gericht darauf aufmerksam macht kommt es zu einem verbalen Tumult im Saal. Die Angeklagten und ihre Unterstützer schreien den Zuschauer nieder und lachen dabei. Richterin Höhme wendet sich dem Angeklagten Kevin K. zu und fragt, ob es stimme, dass er Zettel mit dem Publikum austausche. Als dieser das bejaht bittet Richterin Höhme freundlich darum, so etwas zu unterlassen. Ob sie den Zettel sehen könne fragt sie nicht. Die Angeklagten wenden sich daraufhin dem Zuschauer zu und signalisieren ihm ihren Hass. Die Befragung des Zeugen wird nach dem Geschehen beendet, die Verhandlung um 15:00 Uhr pausiert. Über den weiteren Verhandlungsverlauf an diesem Tag gibt es kein Protokoll.

Verhandlungstag 2

Zur Fortsetzung der Verhandlung am 2. Verhandlungstag, dem 08.02.2019 erscheint der Angeklagte Nik W. mit einem blauen Auge. Die Fortsetzung beginnt um 9 Uhr mit der Sichtung der Videoaufzeichnungen.

Eine weitere Nebelkerze, die in den Raum geworfen wird“

Zuvor jedoch äußert Rechtsanwalt Waldschmidt sein Misstrauen gegenüber der Unparteilichkeit des Gerichts. Er droht 12 Minuten lang einen Befangenheitsantrag zu stellen. Dies begründet er mit einer vermeintlichen „Gleichgültigkeit“ gegenüber den Angeklagten. Die Richterin zeige Waldschmidt zufolge eine „feindselige Haltung“ gegen die Beschuldigten. Eine Videoaufnahme, die etwas Gegenteiliges zu den Aussagen des letzten Zeugen zeige, würde durch das Gericht nicht berücksichtigt. Wölfel schließt sich Waldschmidts Forderung an. Wie Waldschmidt habe Wölfel am 01.03. in Bamberg eine Pflichtverteidigung. Angesichts eines potentiellen dritten Verhandlungstages sei es „eine Unverschämtheit“ und eine „unzumutbare Belastung“, wenn die beiden Anwälte nach diesem Termin noch nach Leipzig fahren müssten, um Sven H. Und Kevin K. zu verteidigen. Das Gericht nimmt dazu Stellung: die Videos hätten sich bereits zuvor in den der Verhandlung zugrundeliegenden Akten befunden, die Verteidiger hätten durch ihre Büros ihr Einverständnis erklären lassen. Die Staatsanwaltschaft unterstützt die Richterin durch die Bemerkung, es handele sich um keine gerechtfertigten Punkte, die einen Befangenheitsantrag stützen würden. Die Verhandlung müsse daher, entscheidet Richterin Höhme, pausiert werden bis über den Antrag entschieden wurde. Wölfel jedoch äußert zuvor noch eine Beschwerde über die Terminierung der fortzusetzenden Verhandlung. Dieser schließt sich Waldschmidt an und beantragt zusätzlich Akteneinsicht in die ihm (angeblich) nicht vorliegenden Akten.

Eine halbe Stunde später wird um 09:30 Uhr die Verhandlung zunächst ohne auf den Antrag der Verteidigung einzugehen fortgesetzt. Es erfolgt die Beweisaufnahme in Form eines Videos, das ein Anwohner aufgenommen hat. Bei dieser Sichtung werden 6 Aufnahmen abgespielt. Waldschmidt bemängelt daraufhin erneut die Beweisführung. Diese würde die Öffentlichkeit beschränken. Schließlich greift er die Staatsanwaltschaft verbal an, in dem er sie für ihr Verhalten rügt. Die Beweisaufnahme wird fortgesetzt, für ca. 15 Minuten werden die Videoaufnahmen gezeigt. Wölfel bemerkt zu den Aufnahmen, dass diese keinen „monolithischen Block“ zeigen würden, sondern es beweisen würde, dass nur Einzelne mitgewirkt hätten. Waldschmidt beantragt daraufhin den Ausschluss der Öffentlichkeit. Staatsanwalt Sprinz bezeichnet Waldschmidts Vorgehen als „eine weitere Nebelkerze, die in den Raum geworfen wird“. Es gebe jedoch keine Einschränkung für die Öffentlichkeit. Es folgt ein Wortgefecht zwischen Waldschmidt und der Staatsanwaltschaft. Das Gericht erlässt daraufhin den Beschluss, dass die Anordnung und Durchführung der Beweisaufnahme rechtmäßig sind. Die Inaugenscheinnahme müsse für alle Beteiligten möglich sein, was durch das Abspielen auf einem Fernseher gegeben sei. Erneut beanstandet Wölfel, die Videos würden zeigen, dass nicht alle vermummt gewesen seien und dies auf keine Absprache hindeute.

Zeuge P. (Anwohner)

Es folgt die Zeugenvernehmung des Anwohners P. um 10:30 Uhr. Dieser sei in seinem Arbeitszimmer gewesen, als er „Hooligan-Hooligan“-Rufe vernahm. Er sei deswegen an sein Fenster gegangen, habe den Notruf gewählt und beobachtete, wie sein PKW zerstört worde. Die Polizeikräfte seien zügig gekommen, woraufhin der Block in eine Seitenstraße zurückgewichen sei. Der Block habe aus Demonstranten bestanden, aus dieser Gruppe hätten sich Einzelne gelöst um Sachbeschädigungen zu begehen. Die Größe schätzt der Zeuge „auf alle Fälle über 100“ Personen. Er selbst habe Baseballschläger oder Eisenstangen wahrgenommen und gesehen, wie Fensterscheiben zerstört und Mülltonnen angezündet worden. Eine Zielgerichtetheit der abgeschossenen Feuerwerkskörper habe er nicht erkannt. Einige Personen habe er in der Simildenstraße erkannt, nachdem sie die Wolfgang-Heinze-Straße stadtauswärts gerannt kamen. Gesichter habe er keine erkannt, ist sich aufgrund von Staturen und Verhalten sicher, dass es sich um Männer handele.

Die Verteidigung hält ihm seine Aussagen aus dem FKD-Prozess vor und fragt dabei nach der Dynamik des Geschehens. Wölfel beginnt seine Befragung nach dem Verhalten der beobachteten Gewalttäter bzw. ihrem Standort während des Geschehens. Das diese neben der Masse gelaufen seien bejaht der Zeuge P. Ihm wird anschließend die Aussage eines Polizisten vorgehalten und er wird gefragt, ob er Gegenstände wahrgenommen habe. P. Sei sich nicht sicher was geworfen worde, schätzt es jedoch auf Steine. Der Großteil sei beim Rückzug gerannt. In der Gruppe sei die vorderste Reihe als Reihe erkennbar gewesen, der Rest habe keine Marschordnung gehabt. Vorne sei sie kompakt und dicht, hinten eher lockerer aufgetreten. Waldschmidt erkundigt sich nach früheren Aussagen des Zeugen und dem Verhalten der von ihm Beobachteten während des Eintreffens der Polizei. Einzelne seien, so P. als Antwort, nicht geflüchtet sondern auf den Gehweg gegangen. Diese seien entweder stehen geblieben oder stadtauswärts gegangen. Nach der Befragung wird die Verhandlung pausiert.

Als sie um 11:15 Uhr fortgesetzt wird kündigt Wölfel, gestützt durch Waldschmidt an, einen Antrag stellen zu wollen, dass eine weitere Zeugin, die Anwohnerin H. geladen werden solle, weil ihre Aussagen den vorangegangenen von P. widersprächen. Er stellt den Antrag jedoch nicht, kündigt ihn nur an.

Zeugin S. (Anwohnerin)

Es wird die Zeugin S., eine Anwohnerin, geladen. Diese habe vor Ort gewohnt, als das Geschehen stattfand. Sie habe die Gruppe gesehen und Rufe gehört. Ein Teil der Gruppe habe sich gespalten. Ein Teil davon sei in die Selnecker Straße gezogen, die meisten seien jedoch zurückgelaufen. Es sei aufgrund der langen Zeit schwierig, sich genau zu erinnern. Das erste Mal habe sie die Gruppe in stadteinwärtiger Richtung laufen sehen. Sie habe einen hellen Schimmer wahrgenommen welcher sich gerade auf Höhe des Imbisses Shahia befunden. Ihr Blinkwinkel darauf sei jedoch schlecht gewesen. Sie habe ca. 20-30 Personen wahrgenommen, die alle dunkel oder schwarz gekleidet und teilweise vermummt gewesen seien. Aus dieser Masse sei niemand hervorgestochen. Die Gruppe sei auf der Mitte der Straße gelaufen, Einzelne seien daraus ausgeschert mit Stöcken und Stäben. Sie könne jedoch nichts zu den konkreten Sachbeschädigungen sagen. Weiter südlich hätte die Gruppe bereits Dinge zerstört, was sich bis in ihren Blickwinkel fortgesetzt habe. Von ihr selbst sei nichts beschädigt worden. Als die Polizei eintraf habe sich die Gruppe nicht mehr in ihrem Blickfeld befunden. Sie bemerkt jedoch, „die Raketen dienten [vermutlich] als Vorbereitung für das, was folgen sollte“. Erst sei Pyrotechnik verwendet, anschließend die Gewalt begangen worden. Die Staatsanwaltschaft fragt nach dem genauen Blickwinkel, ob ihr Fenster geschlossen war und sie andere Rufe erinnern könne. Sie fragt weiter danach, wie viele vermummt gewesen seien. Die Zeugin S. gibt an, es haben sich „für mich alle unkenntlich gemacht“. Sie könne jedoch nicht angeben, was Einzelne gemacht hätten. Der Großteil habe sich zurückgezogen, es seien jedoch auch welche durch die Selnecker Straße entkommen. Staatsanwältin Daute will weiter wissen, wie gut sie schätzen könne. Die Zeugin S. bemerkt dazu, dass sie eher nicht gut darin ist.

Drei der vier Rechtsanwälte stellen ihr keine Fragen. Lediglich Waldschmidt erkundigt sich nach den Lichtverhältnissen vor Ort. Die Zeugin charakterisiert diese als dunkel und kalt. Sie habe Vermummungen erkannt in Form von Tüchern, Kapuzen und Handschuhen. Ob die Gruppe schwarz gekleidet sei beantwortet sie damit, dass diese auch braun oder grau gewesen sein könnte. Waldschmidt fragt schließlich danach, ob sie eine Person mit „dunkler Hautfarbe“ habe erkennen können oder ob sie „weiße, strahlende Haut“ unter den Lichtverhältnissen hätte erkennen können. Die Zeugin antwortet darauf, dass sie wenige weiße Gesichter erkannt habe. Ihre Befragung endet damit.

Anschließend erklärt Waldschmidt nach §257 StPo, er würde die Einschätzung der Zeugin bemängeln was die Lichtverhältnisse betrifft. Wölfel bemerkt dazu, die Zeugin habe nichts zu der Festsetzung gesagt und ab dem Einbiegen der Gruppe in die Auerbachstraße nichts wahrgenommen. Es sei fraglich, ob die in der Auerbachstraße festgesetzte Gruppe dieselbe sei wie die Beobachtete.

Zeugin S. (Anwohnerin)

Es wird die Beweisaufnahme mit der Ladung der anderen Zeugin S. um 11:37 Uhr fortgesetzt. Die Zeugin erscheint mit Rechtsanwalt Schübel als Zeugenbeistand. Zum Sachverhalt gibt sie an, gerade ihr Pflegekind ins Bett gebracht zu haben, als ein Lärm losging. Aus Richtung Selnecker Straße habe sie ein rotes Leuchtfeuer gesehen. In der Art eines Marschschrittes habe sich die Gruppe formiert. Großteils schwarz gekleidet hätte sie Schaufenster und Autos zerstört. Das Geschehen sei sehr schnell abgelaufen, die Gruppe sei schließlich in die Auerbachstraße eingebogen. Zu Beginn der Wolfgang-Heinze-Straße habe sie die Gruppe erstmals wahrgenommen. Zur Größe könne sie keine Einschätzung abgeben, es habe sich aber ein sehr gewalttätiger Eindruck für sie ergeben. Einzelne hätten so etwas wie Schlachtrufe geschrien. Die Gruppe habe sich wie im Stechschritt bewegt und gezielt Dinge zerstört. Die Beschädigungen eines Juweliergeschäftes, eines Second-Hand-Ladens für Gothikbekleidung und diverse Autozerstörungen habe sie beobachten können. Einige in der Gruppe hätten Gegenstände in den Händen gehalten, sie seien außerdem vermummt gewesen. Ihr eigener PKW sei dabei auch beschädigt worden. Sie glaubt sich zu erinnern, dass auch ein Gullideckel ausgehoben worden sei, der später in einem Schaufenster gelandet sei. Den Schaden an ihrem PKW habe sie selbst zahlen müssen, die Versicherung sei dafür nicht aufgekommen. Passanten habe sie keine gesehen. Niemand sei aus der Gruppe stehen geblieben.

Auf die Fragen von Anwältin Truthmann antwortet sie, sie habe niemanden beobachten können der sich erst im Laufe des Geschehens der Gruppe angeschlossen habe. Die Gruppe habe definitiv aus mehr als 50, vermutlich aber aus weniger als 300 Personen bestanden. Linnemann fragt nach der Dynamik. Die Zeugin S. verneint dabei die Frage nach einem „Hin und Her“ des Geschehens. Wölfel fragt anschließend, ob die Gruppe stand als die Zeugin sie sah. Auch das verneint sie mit der Bemerkung, sie habe sich in Bewegung befunden. Die Gruppe habe sich zwar komplett in ihrem Blick befunden, über den Beginn und das genaue Ende könne sie jedoch nichts sagen. Weitere Angehörige habe sie nicht sehen können, ihr Blick habe sich auf das Geschehen gerichtet. Wölfel fragt anschließend danach, was für die Zeugin als Vermummung gelte. Sie entgegnet, sie habe nicht behauptet das alle vermummt gewesen seien, die meisten Gesichter seien jedoch verdeckt gewesen. Auf die Fragen wie viele Personen aus der Gruppe ausgeschert seien und ob dies „alle mal“ gemacht hätten kann sie keine Einschätzung abgeben.

Schließlich kommt Waldschmidt zu Wort. Er erkundigt sich als erstes nach dem Alter der Zeugin und ob diese bei der NVA war. Die Angeklagten lachen. Das Gericht fordert Waldschmidt erneut auf, nur verfahrensrelevante Fragen zu stellen. Waldschmidt erklärt sich damit, dass ein Begriff wie „Stechschritt“ nur bei der SS, der Roten Armee und der NVA Verwendung gefunden hätte. Die Zeugin berät sich mit ihrem Beistand, auf der Anklagebank wird getuschelt. Als die Zeugin auf all diese Fragen antwortet und sich erklärt kann Waldschmidt sich ein Grinsen nicht verkneifen. Linnemann stöhnt schließlich bei Waldschmidts nächster Frage, ob die Zeugin dieses Wort aus Filmen kenne. Die Staatsanwaltschaft weist seine Frage zurück. Waldschmidt jedoch trifft immer wieder spekulative Feststellungen in seiner Befragung, bis Linnemann ihm schließlich ins Wort fällt. Daraufhin stellt Waldschmidt Nachfragen nach den Lichtverhältnissen, der Straßenbeleuchtung und wo die Polizei als Bewegung wahrnehmbar gewesen sei.

Unterbrechungen und Selbstleseverfahren

Um 12:10 Uhr wird die Befragung beendet. Richterin Höhme eröffnet den Vorschlag die Verhandlung für eine Stunde zu pausieren um über den von Wölfel gestellten Antrag zu entscheiden. Gegebenenfalls müsse das Verfahren gegen seinen Mandanten bei Terminunpässlichkeiten abgetrennt werden. In der heutigen Verhandlung sei jedoch noch ein weiterer Zeuge zu hören, gegebenenfalls könne die Verhandlung danach, noch an diesem zweiten Tag beendet werden.

Es erfolgt die Anordnung der Verlesung diverser Beweismittel im Selbstleseverfahren. Dabei handelt es sich um die Liste der Vermögenssschäden, der KT-Protokolle, des Gutachtens von Eurofins über die an den Quarzsandhandschuhen von Kevin K. gefundenen DNA-Spuren, der Verkehrsdaten und des Abschlussberichts des Hauptkommissars, der den FKD-Prozess in Dresden begleitete. Außerdem solle das Beschlagnahmungsprotokoll über die Verkehrsdaten des Angeklagten Nik W. und der Mobilfunkdaten des Angeklagten Sven H. in die Beweisaufnahme aufgenommen werden. Daneben werden zwei weitere Gutachten als Beweismittel eingeführt – eines des Unternehmens Hako SV zur Beurteilung von Brandschäden und das eines anderen Unternehmens zur Begutachtung von Gebäuden. Der Anordnung des Selbstleseverfahren widerspricht Rechtsanwalt Waldschmidt. Als um 12:30 Uhr der nächste Zeuge geladen werden soll, sich aber nicht im Gericht befindet, wird die Verhandlung zunächst für 30 Minuten pausiert.

Zeuge W. (Polizeibeamter)

Kurz nach 13 Uhr wird die Verhandlung fortgesetzt. Es erfolgt die Vernehmung des Zeugen W., eines Kripo-Beamten der die Vernehmungen von Florian N. und Nick F. in der Ermittlung gegen die neonazistische Terrorgruppe „Freie Kameradschaft Dresden“ führte. Beide, Florian N. und Nick F. wurden ebenfalls am 11.01.2016 in Connewitz festgesetzt.

Der Zeuge äußert sich zu den Vernehmungen der beiden nacheinander, beginnend mit F., welcher sich seit dem 24. Januar 2017 in Untersuchungshaft befände. Bei seiner Vernehmung sei er zu allen in seinem Haftbefehl vorgeworfenen Taten der FKD befragt worden, zu denen auch der Fall Connewitz zählt. F. habe dem Zeugen zufolge dabei ausgesagt, man habe sich verabredet. Nach dieser Bemerkung unterbricht ihn Waldschmidt zunächst, lässt ihn jedoch fortfahren.

Nick F. sei mit Christina L. nach Leipzig gefahren, zuerst zum ersten Treffpunkt, anschließend zum zweiten. In seiner Vernehmung habe er von einer Gruppengröße von ca. 300 Personen gesprochen. Er habe dabei viele Namen genannt, die auch in Leipzig waren und aus dem Raum Dresden stammen würden. Auch Nick F. habe nur vom „Hören/Sagen“ von den am 11.01. zerstörten PKW erfahren. Er wisse außerdem von einem verletzten Anwohner, der im Krankenhaus behandelt worden sei. Dazu wie er von dem Vorhaben erfahren habe habe der Beschuldigte nichts ausgesagt.

Der zweite Beschuldigte, Florian N., sei insgesamt drei Mal vernommen worden. Die Information über das Vorhaben des 11.01. sei ihm von dem Leipziger Kai M. per Whatsapp übermittelt worden. Er habe von einer Demo durch Connewitz gesprochen. In Dresden hätten sie sich an Akis Sportsbar getroffen, um gemeinsam nach Leipzig zu fahren. Von dort sei er mit Rico K., Stanley B. und David S. sowie anderen unbenannten Dresdenern nach Leipzig gefahren. Vor Ort sei bei dem Eindruck, man befinde sich an der richtigen Stelle, das Transparent fallen gelassen worden. Daraufhin, so habe N. in seiner Vernehmung weiter ausgeführt, haben sie „mit allem was wir hatten geschossen“. Florian N. hätte Angst bekommen und sich mit Stanley S. in den Arm genommen. Er habe zwei Personen mit Äxten gesehen, die diese in die Motorhauben von PKWs rammten, auf die Autos sprangen und erneut darauf einschlugen.

Der im FKD-Prozess Vernommene habe zu dem Motto der Verabredung keine Angaben gemacht und habe vor Ort keine Blockbildung bemerkt. Das Banner sei jedoch nur zur Tarnung mitgeführt worden. In Dresden seien sie mit 2 PKW losgefahren, im Umland hätten sie weitere vollbesetzte Autos getroffen.

Alle, die die Nachricht über die Verabredung erhalten haben, hätten denselben Wissensstand über das Vorhaben gehabt. Bei seiner Einkesselung habe er seinen Bekannten Franz R. gesehen. Der erste Treffpunkt sei ihm noch über eine SMS mitgeteilt worden. Dort habe er keine Kennzeichen wiedererkannt. Der Infochat der mittlerweile verbotenen FK Dresden habe die Nachricht über den Vortreffpunkt ebenfalls bekommen, ihm selbst sei klar gewesen das es sich dabei nur um einen Vortreffpunkt handelte. Die Nachricht sei von Kai M. aus Leipzig verschickt worden. An dem Treffpunkt an der A14 seien Zettel mit Anweisungen verteilt worden. Sie hätten ihre Handys und Navis ausschalten sollen. Florian N. habe sich dieser Anweisung jedoch wiedersetzt und sein Handy als Navigationssystem benutzt. Die „Meute“ habe sich, am zweiten Treffpunkt angekommen, zunächst ruhig verhalten und gewartet. Auf ein Signal hin hätten sie sich „quasi komplett vermummt“. Ihm selbst sei es ab da an nicht mehr möglich gewesen, sich zu entfernen.

Die Richterin befragt den Kripobeamten über die Aussage des Mitangeklagten N. über die Gruppengröße, die Kommunikationsplattform der FKD und die Kleiderordnung. Der Zeuge äußert dazu, dass Whatsapp in der Verhandlung gegen die FKD eine große Rolle gespielt habe, der Angeklagte keine Angaben zur Größe der Gruppe machen konnte/wollte und er auch keine Erinnerung daran gehabt habe, was einen einheitlichen Kleidungsstil angeht.

Staatsanwältin Daute fragt anschließend danach, ob bei N selbst eine Vermummung festgestellt worde. Der Zeuge W. ist sich nicht sicher, aber es sei „gut möglich“ gewesen. N. habe außerdem keine Verwunderung darüber gezeigt, dass zwei Personen Äxte mit sich führten.

Es erfolgt die Befragung durch die Verteidigung. Ob der Zeuge die Nachricht des Angeklagten Kai M. selbst gelesen habe verneint er. Im „FK-Infochat“ hätten sich zum Zeitpunkt des Zugriffs der Polizeibeamten am 19.01.2016 insgesamt 34 Personen befunden, der Leipziger Alexander L. habe sich nicht darunter befunden. Rechtsanwältin Linnemann erkundigt sich nach der Kenntnis des Zeugen über ihren Mandanten Nik W. Diesen habe der Zeuge noch nicht bemerkt. Ob jemand im Geschehen zurückgeblieben sei könne der Zeuge nicht angeben. Der Mitangeklagte Florian N. aus Dresden sei nicht danach gefragt worden, wo er sich in der Gruppe in Connewitz befunden habe. An der Auswertung der Mobilfunkdaten des Angeklagten Nik W. sei der Zeuge nicht beteiligt gewesen.

Wölfel beginnt seine Befragung. Der Zeuge könne sich nicht erinnern ob in der Aussage von Florian N. von Waffen am ersten Treffpunkt die Rede war. Ob er bezüglich Connewitz weitere Beschuldigte vernommen habe könne der Zeuge W. nicht mehr angeben, seine Erinnerung dazu würde fehlen.

Waldschmidt erkundigt sich schließlich danach, wo sich Florian N. befunden habe als das Banner fiel und die Straftaten begangen worden. Der Kripobeamte W. habe dazu keine Angaben. Der Infochat sei gesichert worden. Benjamin Z. habe ihn am 16.10.2016 gegründet. Es sei wahrscheinlich das in Vorgängerversionen des Infochats auch schon früher Informationen verbreitet worden. Ihm lägen keine Informationen darüber vor wie weit diese Nachricht verteilt worde. Der Name von Waldschmidts Mandanten Kevin K. aus Gera sei jedoch nicht Teil der Nachrichten in diesem Chat gewesen. Waldschmidt fragt den Zeugen ob aus seiner kriminalistischen Erfahrung hervorgänge, dass die Aussage von Florian N. glaubwürdig sei. Dieser gibt zu verstehen, dass N. in seiner Vernehmung als „peacemaker“ auftrat. Von anderen Mitgliedern der FK Dresden sei er als „Einfädler, weniger als Mitmacher“ bezeichnet worden.

Unterbrechung und Befangenheitsantrag

Die Befragung des Zeugen W. endet damit um 13:45. Die Verhandlung wird für 15 Minuten pausiert, damit das Gericht Aktenkopien anfertigen und verteilen sowie eine Stellungnahme zum Befangenheitsantrag von Wölfel erarbeiten kann. Um 14:30 werden die Akten verteilt und das Selbstleseverfahren angeordnet. Zum Beweisantrag Wölfels äußert Richterin Höhme, die Beweisbehauptung sei bereits erwiesen worden, es müssten keine weiteren Zeugen gehört werden. Auf den gestellten Befangenheitsantrag entgegnet die Richterin drei wesentliche Punkte. Zwei Vorwürfe seien aufgrund einer überschrittenen Frist seitens der Rechtsanwälte Wölfel und Waldschmidt zurückzuweisen. Die Fortsetzung der Verhandlung und Terminabsprache sei hinfällig, sofern die Verhandlung heute noch beendet würde. Anschließend wird die Verhandlung für ca. 2 Stunden unterbrochen. Nach der Unterbrechung zieht Wölfel den Antrag selbst zurück. Die Anträge von Waldschmidt bezüglich der Terminierung der Fortsetzung werden von ihm ebenfalls zurückgezogen.

Rechtsanwältin Truthmann gibt eine Erklärung über das Gutachten der Verkehrsdaten ihres Mandanten ab. Seine Standortdaten hätten gezeigt, dass Alexander L. sein Handy von 17:30 bis 18:22 Uhr angeschaltet hatte. Aus den Protokollen würde nicht ersichtlich, dass sich ihr Mandant am Albrechtshainer See befunden habe. Außerdem gebe es einen Widerspruch in den Protokollen zu den Mobilfunkdaten des Angeklagten Nik W. Dieser hätte den Ermittlern nicht den Pin seines Smartphones übergeben. Es sei unklar wie es zu der Auslesung seiner Daten kommen konnte. Die Staatsanwaltschaft nimmt ihren Widerspruch zur Kenntnis. Es erfolgt anschließend die Sichtung der Lichtbilder der Beschuldigten Alexander L., Nik W., Sven H. und Kevin K. Rechtsanwalt Waldschmidt gibt daraufhin die Erklärung zu Protokoll wonach es sich bei der Kleidung seines Mandanten um eine „witterungstypische Jacke“ handele.

Es erfolgt die Behandlung der persönlichen Verhältnisse der Angeklagten. Der seit März 2016 als Bauhelfer tätige Alexander L. habe keine Vorstrafen. Der seit Juni 2018 als Messehelfer/Aufbauhelfer tätige Nik W. ist zweifach vorbestraft. Am 16.12.2016 habe er gegen das Versammlungsgesetz verstoßen und am 2.4.2017 eine Urkundenfälschung begangen. Die Mitangeklagten Sven H. („selbstständig“) Und Kevin K. („voll erwerbsfähig und -tüchtig“) würden keine Einträge im Strafregister haben. Alle vier würden geordnete finanzielle Verhältnisse aufweisen. Um 16:30 Uhr wird die Beweisaufnahme geschlossen.

Plädoyer Staatsanwaltschaft

Aus Sicht der Staatsanwaltschaft haben sich am 11.01.2016 ca. 200 Personen verabredet, um gemeinsam in Connewitz Straftaten zu begehen. Aus der Gruppe seien Einzelne ausgeschert um Gewalttätigkeiten zu begehen. Die vier Angeklagten Alexander L., Nik W., Sven H. und Kevin K. haben sich der Staatsanwältin folgend mitschuldig gemacht, indem sie die Taten durch ihr Beisein ermöglicht haben. Die Zeugenaussagen und Aktenvermerke hätten belegt, dass im Vorfeld über verschiedene Kanäle dazu mobilisiert worden sei. Da die von Nik W. festgestellten Mobilfunkdaten als Beweismittel vorliegen wäre ihre Auslesung und Verwertung im Zuge des Verfahrens zulässig. Darin sei der Wortlaut „Mach dich gerade“ und ähnliches ebenso enthalten wie der Aufruf, nach Naunhof zu kommen.

Der Ermittlungsbericht des Beamten S. habe ergeben, dass am zweiten Treffpunkt das Transparent entrollt und sich daraufhin begonnen wurde zu vermummen. Ca. 150 Personen sind aus Sicht der Staatsanwaltschaft in stadteinwärtiger Richtung über die Meusdorfer Straße und Biedermannstraße gelaufen und mit Waffen bewaffnet gewesen. Die Zeugin W. habe mit ihrer Aussage den nachfolgenden Ablauf geschildert. Auf der Höhe der Herderstraße habe es ein Kommando gegeben, daraufhin gingen die Sachbeschädigungen los. Nicht alle aus der Gruppe hätten sich gewalttätig beteiligt, aber die Gruppe schützte die Täter. Am 11.01. habe es nicht verschiedene Demos gegeben, wie das die Verteidigung der Angeklagten behaupten würde, sondern eine Gruppe. Das würde aus mehreren Berichten deutlich.

Die Aussage des Zeugen A. sei nicht glaubwürdig, weil sie diversen anderen Aussagen als einzige widerspräche. Auch die Aussagen der Polizeibeamten würden auf einen einzigen Mob schließen lassen und die Masse an in der Auerbachstraße weggeworfenen Gegenständen andeuten.

Die eingeführten Videos zeigten, so Daute weiter, außerdem die Rufe und Vermummungen der Angreifer. Hinsichtlich der Frage ob die vier Angeklagten dabei waren äußert Staatsanwältin Daute, dass alle in der Auerbachstraße festgesetzten Personen in die Gesa gebracht worden.

Der Schluss sei ziehbar, dass die Angeklagten auch in der gewalttätigen Gruppe dabei waren. Die Mobilfunkdaten des Angeklagten Nik W. würden außerdem zeigen, dass dieser seiner Freundin eine Nachricht mit den Worten schrieb „Bin festgenommen“. Die Spurentreffer in den Quarzsandhandschuhen von Kevin K. würden dies auch beweisen. Die Gruppe sei geschlossen in die Auerbachstraße gezogen, es hätten sich keine Passanten zu diesem Zeitpunkt auf der Straße befunden. Von allem gehörten, so fährt Daute fort, sei kein anderer Schluss möglich, als dass die Angeklagten dabei waren. Die Freundin von Nik W. habe ihm schließlich geantwortet „Hoffenlich behalten sie keine der Schlimmsten da!“

Die Angeklagten seien daher als Täter hinsichtlich des §125 des Landfriedensbruchs zu betrachten. Im Zuge dieses Landfriedensbruchs seien 22 Lokale, Geschäfte, Privatwohnungen und 18 PKW zerstört oder beschädigt worden. Den Angeklagten sei es darauf angekommen, aus einer Menschengruppe heraus mit vereinten Kräften Gewalttätigkeiten zu begehen. Sie seien von Beginn an mitgelaufen. Es ist dabei völlig unstrittig, so Daute, dass das Geschehen die öffentliche Sicherheit stark gefährdet hat. Ihre Tatbeteiligung sei daher als täterschaftliche Beteiligung zu werten. Für ihr Vorhaben sei es gerade notwendig gewesen, die Gruppe so groß wie möglich zu gestalten, um in einem linksgeprägten Stadtteil „im Zweifel genug Schlagkraft“ zu besitzen um sich zu verteidigen. Der besonders hohe Schaden der dabei entstand rechtfertige die Anwendung des besonders schweren Landfriedensbruchs. Die Beweise in Form der Quarzsandhandschuhe von Kevin K., der Vortreffpunkte und dem gemeinsamen stillen Laufens zeigten, dass es sich dabei um eine geplante Aktion handele.

Sie hält in den Fällen Kevin K., Sven H. und Alexander L. daher eine Strafe von einem Jahr und 8 Monaten angemessen. In der Bestrafung des Angeklagten Nik W. sei sein Strafbefehl vom 7. August zu berücksichtigen, weswegen sie in seinem Fall für eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und 9 Monaten plädiert. Zu Gute gehalten werden müsse den Angeklagten jedoch die lange Zeit, die seit der Tat vergangen ist. Alle vier Angekagten würden außerdem eine „positive Kriminal- und Sozialprognose“ aufweisen. Zu Lasten zu legen sei ihnen hingegen die besondere Schadenshöhe sowie das unvergleichliche Ausmaß der Tat, ihr „extremes aggressives Verhalten“ und dass bisher keine Wiedergutmachung geleistet worden sei. Ob die Strafe auf Bewährung auszusetzen sei verneint die Staatsanwältin. Dafür benötige es besondere Umstände, keine Vorstrafen aufzuweisen reiche dafür nicht aus. Die Verteidigung der Rechtsordnung gebiete es, ihnen die Bewährung zu versagen. Letztlich handele es sich, so Daute weiter, um eine politisch motivierte Tat. Die Strafe auf Bewährung auszusetzen sei „der Bevölkerung am Ende so nicht zu verkaufen“.

Plädoyer Rechtsanwältin Anja Truthmann (Mandant: Alexander L.)

Ihrem Plädoyer voran stellt die Rechtsanwältin Truthmann eine Stellungnahme. In ihrer ganzen Karriere sei es ihr „noch nie untergekommen“, dass nicht-vorbestrafte Angeklagte mit einer „perfekten Sozial- und Kriminalprognose“ aus Sicht der Staatsanwaltschaft ohne die Chance auf Bewährung verurteilt werden sollen. Ihr sei es „juristisch nicht nachvollziehbar“. Ihrem Mandanten Alexander L. sei seine konkrete Tatbeteiligung nicht nachweisbar. Die Ausschreitungen seien zwar geschehen, aber es lägen keine Beweise gegen ihren Mandanten vor. Ob er als Mitläufer nachgewiesen worde verneint sie ebenfalls. Es sei nicht nachweisbar, dass ihr Mandant Teil der Telekommunikation gewesen sei. Entsprechend würde die Anklageschrift fälschlicherweise behaupten, Alexader L. habe sich am ersten Treffpunkt befunden. Die als Beweismittel herangezogenen Lichtbilder seien als Nachweis nicht ausreichend, ihr Mandant hätte weder Schlaghandschuhe noch eine Vermummung dabeigehabt. Nichts von dem, was während der Verhandlung seitens der Zeugen gesagt worde, würde auf seine Schuld hinweisen. Stattdessen sei es denkbar, dass ein Teil der Gruppe in der Auerbachstraße eine Absprache hielt „um Legida abzusichern“. Sie beantragt den Freispruch ihres Mandanten.

Plädoyer Rechtsanwältin Kerstin Linnemann (Mandant: Nik W.)

Linnemann schließt sich der Verteidigerin Truthmann an und fordert den Freispruch ihres Mandanten. Für das Urteil sei die Zeit zwischen der Tat und der Verhandlung zu berücksichtigen, durch die bereits „einiges abgegolten“ sei. Angesichts der Beweisführung ergebe sich ein „schlanker Sachverhalt“ für ihren Mandanten. Selbst gemessen am subjektiven Tatbestand sei das von der Staatsanwaltschaft vorgeschlagene Strafmaß ungerechtfertigt. Seine „günstige Kriminal- und Sozialprognose“ sowie seine Vaterschaft würden die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe nicht rechtfertigen. Natürlich habe die Tat einen politischen Hintergrund, deren Ziel es war, in wenig Zeit einen möglichst großen Schaden anzurichten. Der Nachweis das ihr Mandant Teil dessen war sei jedoch nicht erbracht. Nur durch Glück sei es zu keiner Körperverletzung gekommen. Anhand der Aussage des Zeugen A. bemängelt Linnemann die Beweisführung gegen ihren Mandanten. Die Organisation des Geschehenen möge „einen langen Atem gehabt“ haben, ihrem Mandanten könne jedoch nichts Konkretes nachgewiesen werden. Die Auswertung seiner Verkehrsdaten während der Vortat- und Tatphase würden nur zeigen, dass er „absolut in der Nähe“ des Geschehens wohne. Dies würde keinen Tatbestand aufzeigen. Die Billigung des Geschehens durch ihren Mandanten könne durch die Beweisführung nicht nachgewiesen werden. Sie beantragt daher den Freispruch ihres Mandanten.

Plädoyer Rechtsanwalt Andreas Wölfel (Mandant: Sven H.)

Wölfel spricht in seinem Plädoyer angesichts des „Hintergrunds der Tat“ und „der Beweisführung der Staatsanwaltschaft“ in seinem Plädoyer von einem „politisch motivierten Strafverfahren“. Die Absprache des Gerichts würde an eine Nötigung grenzen, der Schuldnachweis sei nicht erfolgt. Die Blockaden von Legida durch Gegendemonstranten hätten gerade bewirkt, dass man sich im Vorfeld treffe. In der von ihm in seinem Plädoyer vorgelesenen Mobilisierungsnachricht zu Legida sei „kein Aufruf zu Gewalt“ erfolgt, sondern nur von einem Treffen an der A14 die Sprache gewesen. Angesichts dessen, dass Connewitz als „No Go Area für Patrioten“ gelte, wo „Polizeiautos abgefackelt“ würden habe sein Mandant lediglich zeigen wollen, „dass auch Patrioten in Connewitz sich treffen und sammeln können“. In der Vortatphase sei kein Aufruf zu Gewalt erkennbar. Mit Sicherheit habe es welche gegeben, die von Anfang an gewalttätig werden wollten, für seinen Mandanten ergebe sich das aber nicht. Er verweist dabei auf das Urteil des Bundesgerichtshofes zu Hooliganausschreitungen und die vermeintliche Befangenheit einer Zeugin in dieser Verhandlung. Wann sein Mandant in der Gruppe aufgetaucht sei unklar. An den Beschädigungen habe er nicht teilgenommen. Generell sei fraglich, ob die in der Auerbachstraße festgesetzten Personen an den Gewalttätigkeiten teilgenommen haben. In Wölfels Sicht sei es „in der Stadt, wo es von Linksextremisten nur so wimmelt“ geradezu „völlig realitätsfern“ zu erwarten, dass man sich als Patriot aus so einer Gruppe entferne. Die Beweise würden nicht ausreichen um seinen Mandanten zu verurteilen. Hingegen sei es fraglich, dass in den bisherigen Verhandlungen anlässlich des 11.01. auch bei „Pseudogeständnissen“ Bewährungsstrafen ausgesprochen worden. Er schließt sich den vorherigen Verteidigerinnen an und fordert für seinen Mandanten einen Freispruch.

Plädoyer Rechtsanwalt Dirk Waldschmidt (Mandant: Kevin K.)

In seinem Plädoyer eröffnet Waldschmidt einen Sachverhalt über Pontius Pilatus und den alten Griechen. Er rekurriert auf das Outing seines Mandanten und das heutzutage letztlich die rechtlichen Vorgaben entscheidend seien, wenn jemand verurteilt werden solle. Sämtliche Bewerbungen seines Mandanten seien mit der Begründung über die politische Verortung seines Mandanten abgelehnt worden. Er fantasiert anschließend über einen fiktiven Fall. In diesem Fall würden „Linksextremisten am hellichten Tag“ einen Molotovcocktail in ein Auto werfen, auf dem ein Thor Steinar Aufkleber angebracht ist. Er versucht damit eine Viktimisierung seines Mandanten. Im Anschluss daran greift der die Staatsanwaltschaft verbal an. Sie hätte bestimmte Aspekte außen vorgelassen und der konkrete Vorwurf würde nicht auf seinen Mandanten zutreffen. Es sei unklar wo, wann und warum sich sein Mandant der Gruppe angeschlossen habe. Das Verständigungsangebot des Gerichts sei äußerst zweifelhaft und die Kriminal- und Sozialprognose seines Mandanten positiv. Gegen seinen Mandanten läge „nichts, aber auch gar nichts“ vor, er solle deshalb freigesprochen werden. Mit seinem Plädoyer endet die vorletzte Phase der Verhandlung um 18 Uhr. Die Verhandlung wird zur Urteilsfindung für 30 Minuten pausiert.

Das Urteil

Aus Sicht des Gerichts hat sich der Anklagevorwurf bestätigt. Demnach sind die Angeklagten am 11.01.2016 mit etwa 200 anderen rechtsgesinnten Personen in Connewitz marschiert um Gewalttätigkeiten zu begehen. Dabei sei ein massiver Schaden entstanden. Aus der Gruppe seien immer wieder Einzelne ausgeschert um die Gewalt zu begehen. Die Gruppe hat diesen Gewalttätern die nötige Sicherheit gegeben. Ein nachträgliches Hinzustoßen, wie es der Zeuge A. behauptet hat, widerspräche den Beweisen in Form der Videoaufnahmen und sei nicht möglich gewesen. Die Teilnehmer seien überwiegend schwarz bzw. dunkel gekleidet gewesen. Während der Festsetzung seien viele Gegenstände schon zur Seite geworfen worden, es sei durchaus möglich, dass daran auch die Beschuldigten beteiligt waren. Es hat aus Sicht des Gerichts eine massive Gefahr für die öffentliche Sicherheit bestanden. Auch wenn einzelne Taten nicht nachweisbar seien, so ist der Tatbestand des ostentativen Mitmarschierens gegeben. Dieser Vorsatz sei den Angeklagten nachweisbar. Die Vermummung der Gruppe könne aus Sicht des Gerichts den Angeklagten nicht verborgen geblieben sein. Zur Flucht hätten genug Möglichkeiten bestanden. Richterin Höhme ist daher davon überzeugt, dass die Angeklagten das Vorgehen zumindest billigten. Die DNA-Treffer an den Quarzsandhandschuhen von Kevin K. würden dies beweisen. Zu Gunsten hält sie den Angeklagten die vergangene Dauer seit der Tat und ihre fehlende (bzw. geringe) Vorbestrafung. Sie verurteilt die Angeklagten Alexander L., Sven H. und Kevin K. daher zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 6 Monaten ohne Bewährung. Der Angeklagte Nik W. wird zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und 7 Monaten ohne Bewährung verurteilt. Die Aufrechterhaltung bzw. Verteidigung der Rechtsordnung erfordere trotz der Kriminal- und Sozialprognosen die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe. Der Stadtteil Connewitz sei durch die Täter gezielt ausgesucht und der Tag bewusst gewählt worden. Einem „objektiven Bürger“ sei eine Bewährungsstrafe nicht zu vermitteln. Damit endet der 8. Prozess gegen die Täter des Überfalls auf Connewitz.

Zum Zeitpunkt des 20.05.2019 befinden sich alle vier Angeklagten in Berufung. Die Staatsanwaltschaft ist ebenfalls in Berufung gegangen.