Ein Netzwerk voller Einzeltäter – Vier Jahre nach dem Neonazi-Angriff auf Connewitz.

Am 11. Januar vor vier Jahren verwüsteten über 300 Neonazis Connewitz, verletzten min. 3 Personen und verursachten einen Sachschaden von über 110.000 €. Über zweieinhalb Jahre nach ihrer Tat beginnt die juristische Abarbeitung, die immer noch äußerst schleppend voran kommt und de facto keine Aufklärung über die Hintergründe verspricht. Falschaussagen und Widersprüche werden ignoriert, vorbestrafte Neonazis erhalten „günstige Kriminalprognosen“ und Bewährungsstrafen. Weniger als ein Drittel der Täter ist bisher rechtskräftig verurteilt.

Dieser Stand des juristischen Umgangs mit Neonaziverbrechen ist aber keine „Leipziger Besonderheit“. Mit rechtsterroristischen Gruppen wie der „Freien Kameradschaft Dresden“ (FKD) oder der „Gruppe Freital“ stehen in Sachsen immer wieder Neonazis im öffentlichen Fokus, mit zum Teil jahrelangen andauernden juristischen Aufarbeitungen. Gegen die „Freie Kameradschaft Dresden“ wird aktuell, auch wegen des „Sturms auf Connewitz“, noch verhandelt.

Wir nehmen den Jahrestag zum Anlass und möchten mit dem Viertel und allen Interessierten folgenden Fragen nachgehen:
– Was ist der Stand der Prozesse gegen die (mutmaßlichen) Täter des 11.01.?
– Was sind die größten Probleme dabei?

Nach einem Überblick der Prozessbeobachtungsgruppe wird der Journalist Aiko Kempen ausgewählte Schlaglichter auf besonders nennenswerte Zusammenhänge setzen. Außerdem wird der Rechtsanwalt Mark Feilitzsch Entwicklungen aus den Prozessen gegen die Freie Kameradschaft Dresden nachzeichnen.

Die Prozessbeobachtungsgruppe begleitet seit Beginn die Verhandlungen um #le1101 und dokumentiert seit über 1 ½ Jahren das Geschehen im Gerichtssaal unter prozess1101.org.


Aiko Kempen ist Journalist und schreibt für den Kreuzer.

Mark Feilitzsch ist Nebenklage-Anwalt im FKD-Prozess.

Prozess #16 gegen Manfred Robby T.

Am 15. Mai 2019 wird das nun mehr 16. Verfahren am Amtsgericht Leipzig gegen die (mutmaßlichen) Täter des 11.01.16 eröffnet. Der Angeklagte Manfred Robby T., vertreten durch den Rechtsanwalt Saage, muss sich vor Richterin Höhme und Staatsanwalt Brückner verantworten. Das Gericht wollte auch in diesem Fall auf eine Verständigung vor Verhandlungsbeginn hinwirken, was jedoch von der Verteidigung nicht beantwortet wurde.

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Prozess #15 gegen Jens E. und Philipp S.

Am 8. Mai 2019 findet der insgesamt 15. Prozess gegen die (mutmaßlichen) Täter des 11.01.2016 am Amtsgericht Leipzig statt. Angeklagt sind Jens E. und Philipp S., beide werden von den Hallenser AnwältInnen Daniela Krumpe und Tino Brechtmann vertreten. Den Vorsitz hat Richterin Hahn, die Staatsanwaltschaft ist in Person von Staatsanwältin Papproth und Staatsanwalt Zimmermann anwesend. Besonders interessant an diesem Verfahren ist, dass die Anklage aufgrund darin enthaltener Fehler bereits zwei mal zurückgenommen wurde.

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Prozess #13 gegen Jason S.

Am 22. März wird am Amtsgericht Leipzig gegen Jason S. aus Wurzen verhandelt. Angeklagt war zugleich Toni S. Dieses Verfahren wird jedoch aufgrund einer Erkrankung abgetrennt. Jason S. wird wegen seiner Beteiligung an den Überfall auf Connewitz zu einem Jahr und vier Monaten, ausgesetzt zur Bewährung, verurteilt. Das Urteil ist rechtskräftig.

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Prozess #12 gegen Paul H. und Maximilian K.

Am 12. März 2019 findet der nun mehr 12. Prozess am Amtsgericht Leipzig gegen die mutmaßlichen Täter des Angriffs auf Connewitz statt. Die Angeklagten Paul H. und Maximilian K. werden dabei zu Bewährungsstrafen nach Jugendstrafrecht verurteilt.

Die Angeklagten werden im Prozess durch die Rechtsanwälte Engmann und Schöne, müssen sich gegenüber Jugendrichterin Ludewig und Staatsanwalt Kuka verantworten. Die Verhandlung wird begleitet von der Jugendgerichtshilfe, da die Angeklagten zum Tatzeitpunkt das 21. Lebensjahr noch nicht beendet hatten. Es gelten auch zu dieser Verhandlung wieder sitzungspolizeiliche Auflagen.

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Drei Jahre nach dem Neonazi-Angriff auf Connewitz – Eine Zwischenbilanz

Vor drei Jahren verübten Neonazis im Stadtteil Connewitz einen der größten rechtsextremen Angriffe der vergangenen Jahre. Seit August 2018 laufen am Amtsgericht Leipzig die ersten juristischen Prozesse. Eine umfangreiche Aufklärung steht jedoch in weiter Ferne.

Von Prozessbeobachtungsgruppe

Als am 11. Januar 2016 der Leipziger Pegida-Ableger Legida im Stadtzentrum seinen ersten Jahrestag feierte, u.a. mit einem Auftritt von „Kategorie C“-Sänger Hannes Ostendorf, verübten rechte Schläger im Stadtteil Connewitz einen der größten Angriffe der vergangenen Jahre in Leipzig. 250 bis 350 Neonazis aus Sachen und weiteren Bundesländern randalierten im linksgeprägten Leipziger Süden. Bewaffnet mit Totschlägern, Zaunlatten, Messern, mindestens einer Axt und Sprengsätzen griffen sie Läden, Autos und auch Personen an. Es entstand ein Sachschaden von über 100.000 Euro. 215 von ihnen wurden noch am Abend von der Polizei festgesetzt, ein nicht unbedeutender Teil entkam.

Im vergangenen Jahr, also zwei Jahre nach dem Überfall auf  Connewitz, hat die Staatsanwaltschaft Leipzig gegen 202 der festgesetzten Neonazis Anklage wegen besonders schwerem Landfriedensbruch erhoben. In den meisten Fällen müssen sich jeweils zwei Personen gleichzeitig vor Gericht verantworten, so dass mindestens 103 Prozesse angesetzt sind. Einige Tatverdächtige müssen sich in Dresden im Rahmen der Prozesse gegen die Mitglieder der sogenannten Freien Kameradschaft Dresden (FKD) verantworten. 

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Prozessbericht: Prozess gegen Martin K. und Dennis W. – Tag 1

16. August 2018: Hauptverhandlung gegen Martin K. und Dennis W. – Tag 1

Der erste Prozess gegen die Täter von Connewitz findet unter verschärften Sicherheitsbedingungen statt. Vor dem Amtsgericht sind mehrere Polizeifahrzeuge postiert. PressevertreterInnen und ZuschauerInnen werden mehrfach kontrolliert, Handys müssen abgegeben werden. Während des gesamten Prozesstages sind mehrere Polizei- und Justizbeamte vor dem und im Sitzungssaal anwesend. Die zur Verfügung stehenden 30 Plätze reichen nicht aus. Einige JournalistInnen und andere Interessierte werden zunächst nicht in den Verhandlungssaal gelassen und müssen warten, bis Plätze frei werden. Unter den ZuschauerInnen sind auch einige Sympathisanten der Angeklagten. Die Gruppe um Dörk L. wächst im Laufe des Tages auf bis zu sechs Personen. In den Verhandlungspausen, aber auch im Gerichtssaal, werden aus dieser Gruppe heraus mehrfach andere ZuschauerInnen mit verächtlichen Äußerungen bedacht. Einem Vertreter des in Connewitz ansässigen Vereins Roter Stern Leipzig wird „Noch lebst du!“ zugerufen.

Verfahrensbeteiligte

Die Verhandlung findet am Amtsgericht Leipzig vor dem Richter Marcus Pirk als Einzelrichter statt. Die Staatsanwaltschaft wird durch Staatsanwältin Sandra Daute vertreten. Martin K. ist mit seiner Verteidigerin Katrin Stärk aus Borna erschienen, Dennis W. mit seinem Verteidiger Veiko Rabe aus Leipzig.

Der 26-jährige Martin K. gibt an, gelernter Farbgestalter zu sein und zur Zeit als Lagerarbeiter zu arbeiten. Sein gleichaltriger Mitangeklagter Dennis W. sei Rohrleitungsbauer.

Anklage

Beiden Angeklagten wird von der Staatsanwaltschaft vorgeworfen, sich am 11. Januar 2016 gegen 19.20 Uhr mit etwa 250 weiteren Personen im linken Stadtteil Connewitz getroffen und anschließend mit Äxten, Eisenstangen, Totschlägern und Pyrotechnik bewaffnet einen Straßenzug verwüstet zu haben. Insgesamt seien 25 Einrichtungen und 18 Autos beschädigt worden, der Gesamtschaden beliefe sich auf 113.000 Euro. Die beiden 26-jährigen Angeklagten seien in Kenntnis des Vorhabens – also des Zerstörens fremden Eigentums in einem Stadtteil des politischen Gegners – mitgegangen. Damit sollen sich die Angeklagten des besonders schweren Falls des Landfriedensbruchs (§125a StGB) strafbar gemacht haben.

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