Prozess #3 gegen Marcus L. und Danny W.

Am 10.10.2018 fand der 3. Prozess am Amtsgericht Leipzig statt. Die Angeklagten Marcus L. und Danny W. wurden schließlich wegen schweren Landfriedensbruchs zu jeweils 1 Jahr und 5 Monaten auf Bewährung verurteilt. Trotz leerer „Geständnisse“ hält das Gericht an der Vorabsprache zu einer Strafminderung fest. Die Urteile sind mit Stand des 13.06. rechtskräftig.

Am 10. Oktober 2018 findet am Amtsgericht Leipzig im Gerichtssaal 218 der dritte Prozess gegen die mutmaßlichen Angreifer auf Connewitz statt. Der Gerichtssaal ist dieses Mal ausgelegt für 37 Gäste, davon waren 15 für Pressevertreter*innen reserviert.

Angeklagt sind Marcus L. und Danny W. (beide aus Wurzen), jeweils vertreten durch Rechtsanwältin König und Rechtsanwalt Andreas Meschkat.

Anklageerhebung

In der Verlesung der Anklageschrift vom 09.01.2018 verweist Staatsanwalt Merkel unter anderem auf den Gesamtschaden von über 113.000 Euro, der am 11.01.2016 entstanden ist. Zu Beginn der Verhandlung stellt die den Prozess führende Richterin Höhme klar, dass es Vorgespräche über eine Einigung gegeben habe, und dass bei glaubhaften Geständnissen das Gericht ein Urteil im Rahmen einer Strafuntergrenze von 1 Jahr und 3 Monaten und einer Obergrenze von 1 Jahr und 8 Monaten fällen würde.

Dies könne zur Bewährung ausgesetzt sowie mit einer Geldstrafe von bis zu 2 Monatsgehältern belegt werden. Nach wenigen Minuten erfolgt die erste Unterbrechung. Die Richterin, Rechtsanwälte und Staatsanwaltschaft ziehen sich zu Verständigungsgesprächen zurück.

Bei Rückkehr und Fortsetzung der Verhandlung stimmen alle Verfahrensbeteiligten der Einigung zu.

Geständnisse”

Marcus L. liest sein Geständnis vor. Er habe im Vorfeld eine SMS erhalten, die er nicht mehr nachvollziehen könne, da er jetzt selbst eine neue Nummer habe. Er habe am 11.1. die Regionalbahn um 17:15 Uhr aus Wurzen genommen und sei gegen 19.00 Uhr in Connewitz angekommen. Dort habe er circa eine halbe Stunde im Park gewartet, dann sei er zur Gruppe zugestoßen. In der Gruppe stellte er Gewalttaten fest. Er sagt, dass er zu Hause zu geblieben wäre, hätte er davon gewusst. Er habe mit Leuten aus Wurzen nicht in Kontakt gestanden.

Auf Nachfragen zur SMS teilt er mit, dass dort dringestanden habe, “dass man zu erscheinen hat”. Sie sei von einer unbekannten Nummer drei Tage vorher gekommen. Die Richtern fragt, was er von der Gruppe erwartet habe. Darauf antwortet L.: durch Connewitz durchzulaufen.

Auf weitere Nachfragen gibt er an, dass es etwa 100-200 Leute gewesen seien, dunkel gekleidet und es keine Ansage zu einem einheitlichen Kleidungsstil gegeben habe. Zur Dauer sagt er, dass es gefühlt wie eine Stunde in der Wolfgang-Heinze-Str. (WHS) gewesen sei, da er unter Schock gestanden habe.

Er habe niemanden erkannt. Als die Gewalt losging, habe er unter Schock gestanden und sich aus Eigenschutz nicht aus der Gruppe entfernt.

Auf Nachfrage der Richterin zum Auslöser für die Gewalt gibt Marcus L. Rufe “los jetzt oder so” an. Auf weitere Nachfragen gab er an, Böller gesehen zu haben.

Staatsanwalt Merkel fragt nach seinen Erwartungen wer da komme. Daraufhin gibt L. an, dass ihm das nicht bewusst gewesen und es darum gegangen sei, Präsenz zu zeigen. Daraufhin fragt Staatsanwalt Merkel, ob der Angeklagte Hooligans kenne. Dies bejaht er.

Nach der Befragung von L. trägt Rechtsanwalt Meschkat eine Erklärung vom Angeklagten W. vor: Er sei vor Ort gewesen und habe in Wurzen von der Demonstration erfahren. Es ginge um “Präsenz zeigen”. Er sei mit dem PKW nach Leipzig gefahren. Am Connewitzer Kreuz habe er einen Bekannten getroffen und sei in Richtung Wiedebach-Passage gegangen. Er habe Beschädigungen beobachtet und sei ein bisschen erschrocken über das Ausmaß und die Gewalt gewesen. Er sei nicht daran beteiligt gewesen und habe die Sachbeschädigungen nicht gebilligt.

Auf Nachfragen präzisiert er, dass er an einer Tankstelle in Wurzen von der Demo erfahren habe. Er sei mit dem PKW alleine nach Leipzig gefahren und könne nicht mehr einordnen wo er das Auto abgestellt habe, da er sich in Leipzig nicht auskenne. Es sei eine Tankstelle in der Nähe gewesen. Zu Fuß ging es zur Wolfgang-Heinze-Str. und “ruck zuck war Polizei da”. Die Richterin setzt ihre Befragung damit fort, ab welcher Stelle er mitgelaufen sei. Er sagt gar keine. Auf die Nachfrage zu einem Kommando teilt er mit, dass er nichts mitbekommen habe. Er sei an der Wiedebach-Passage festgenommen worden und dadurch in die Gruppe reingekommen. Er habe gegenüber der Polizei nicht geäußert, dass er in die Gruppe reingeraten sei.

Nach den Geständnissen und Befragungen gibt es gegen 10.00 Uhr eine Pause für circa 20 Minuten.

Nach der Pause verdeutlichen Staatsanwaltschaft und Richterin die Anforderungen an das Prozessverhalten der Angeklagten. Es sei ein glaubhaftes Geständnis im Sinne der Anklage erfordlich für die vereinbarte Verständigung. Rechtsanwalt Meschkat gibt daraufhin noch eine Erklärung ab.

Danny W. sei sehr zeitig nach Connewitz zur Passage gegangen. Er habe sich an der Wiedebach-Passage aufgehalten. Es kamen Personen und er habe sich der Personengruppe angeschlossen und sei die Wolfgang-Heinze-Straße mitgelaufen. Er habe Sachbeschädigungen gesehen, sei zurückgedrängt und in Auerbachstraße festgesetzt worden. Er habe nicht nur dort gestanden und zugeschaut. Die Richterin hakt nach, ob er Schlagwerkzeuge in der Gruppe gesehen habe. Dies bejaht er. Staatsanwalt Merkel fragt in seiner letzten Frage nach Vermummungen. Danny W. sagt es hätte ein paar gegeben.


Beweisaufnahme

Im Anschluss verliest Richterin Höhme eine Liste von Aktenvermerken, Zeugenvernehmungen und Sachstandsberichten. Drei Beiweisestücke davon werden verlesen: der Aktenvermerk eines Polizisten über den Einsatz, der Sachstandsbericht des Polizisten G. über den Einsatz sowie die Zeugenvernehmung des Polizisten K. über seinen Einsatz am Abend. Weitere Akten werden im Selbstleseverfahren angeordnet. Daraufhin werden Fotos der Angeklagten vom Tatabend gezeigt. Als weitere Beweise werden zwei Notrufmitschnitte angehört, beide gingen kurz vor 19.30 Uhr ein.
Es werden anschließend zwei Videos gezeigt, eines ohne Ton (vermutlich von einer Überwachungskamera der Polizei) und eine Polizeiaufnahme, auf der man laute Raketen, sehr aggressive Rufe, z.B. “wo wo wo wart ihr Silvester” hört.

Anschließend gibt es keine weiteren Anträge zur Sache.

Gegen 11.30h wird die Verhandlung für das Leseverfahren der Akten unterbrochen. Um 12.00 Uhr wird die Verhandlung fortgesetzt.


Die Lesung der Auszüge aus dem Bundeszentralregister ergibt keine einschlägigen Vorstrafen (nur eine Vorstrafe im Zusammenhang mit fehlender KfZ-Haftpflicht). Daraufhin werden die persönlichen Verhältnisse der Angeklagten verlesen. Beide sind beruflich tätig und haben Unterhaltsverpflichtungen.

Kurz nach 12 Uhr endet die Beweisaufnahme.

Plädoyers

Plädoyer StA:

In seinem Plädoyer sieht Staatsanwalt Merkel den Vorwurf des Landfriedensbruch bestätigt. Er betont den besonderen Rückhalt in der Menge, weist auf Vermummungen hin. Die Gruppe sei Basis der Ausschreitungen gewesen, sieht die “manpower” als Grundlage für die Ausschreitungen. Er verweist auch auf eine Zeugenaussage, dass sich einzelne aus der Masse zeitweise entfernt und wieder reinbegeben haben. Er spricht in seinem Plädoyer von einem Einheitstäter, wo die bloße Zugehörigkeit nicht ausreiche. Außerdem betont er, dass er den Angeklagten die Überraschung über die Gewalt nicht abnehme: “dass das keine friedliche Demonstration werden würde war relativ klar”. Da es dunkel war hätten hätten sie den Rückzug antreten können. Erschwerend käme die erhebliche Störung der öffentl. Sicherheit und die massive Gewalt hinzu.

Für ihn liegt daher das “ostentative mitmarschieren” vor, demnach die Angeklagten den Schaden mitverursacht und mitzuverantworten hätten. Bei der Nennung strafmildernder Umstände nennt Merkel keine “oder wenige” Vorstrafen und dass die Tat lange zurück liege. Die Staatsanwaltschaft fordert daher eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten. Da Geständnisse und keine Vorstrafen vorlägen beantragt er die Strafen zur Bewährung auf 2 Jahre auszusetzen und dies mit einer Auflage von 1800€ an die Staatskasse auszusetzen.

Plädoyer Rechtsanwältin König
Sie habe habe dem Staatsanwalt “nicht viel hinzuzufügen”. Ihrem Mandanten tue es leid, er distanziere sich, habe sich bereits am Tattag emotional distanziert. Er bereue es. Außerdem betont sie, dass es lange Zeit her sei und er seitdem keine weiteren Straftaten begangen habe. Sie fordert die Strafe auf 1 Jahr und 3 Monate zu bemessen und betont außerdem, dass ihr Mandat kein übermäßiges Einkommen sowie Unterhaltsverpflichtungen habe und bittet um eine Strafzahlung im Rahmen von 1000-1200€.

Rechtsanwalt Meschkat:

In seinem Plädoyer betont er, dass nicht jeder der dort teilnimmt will, was andere tun. Dennoch sieht auch er den Tatbestand als erfüllt an. Seinem Mandant tue leid, was passiert ist. Er sei erschrocken über das Ausmaß gewesen. Zum Glück seien keine Personenschäden entstanden, dies sei im Rahmen der Strafbemessung zu berücksichtigen. Er fordert eine Bewährungstrafe von 1 Jahr und 3 Monate, und die Zahlung von 1400€ in monatlichen Raten.


Auf die Frage nach abschließenden Worten sagt Marcus L. noch mal, dass er nicht wusste, was an dem Abend passiert ist. Danny W. sagt nichts.


Urteil

Die beiden Angeklagten werden jeweils zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und 5 Monaten auf Bewährung (für 2 Jahre), sowie einer Zahlung von 1500€ monatlich verurteilt. Die Angeklagten hätten sich des besonders schweren Landfriedensbruch schuldig gemacht. Es sei eine gewalttätige Menschenmenge gewesen, die zum Großteil vermummt sei, mit Schlagwerkzeugen, aus der sich einzelne Menschen rauslösten um Straftaten zu begehen. Diese seien durch die Gruppe gedeckt worden. Es entstand eine erhebliche Gefährdung der öffentlichen Sicherheit. Es gebe zwar keinen Nachweis, dass sie selbst die Sachbeschädigungen begannen haben. Allerdings liegt im behandelten Fall die Mittäterschaft durch den Sachverhalt des ostentativen Mitmarschierens vor. Die Schlagwerkzeuge konnten den Angeklagten nicht verborgen geblieben sein, dies sei lebensfremd, so die Richterin. Es hätte erkennbar gewesen sein müssen, dass es keine friedliche Demo werden würde. Zum Distanzieren wäre genug Zeit gewesen. Zu ihren Gunsten rechnet sie den Angeklagten an, dass sie weitestgehend geständig gewesen seien, nahezu nicht vorbestraft, und die Tat schon lange her sei. Zum Ungunsten nennt sie den Gesamtschaden und die erhebliche Gefährdung der öffentlichen Sicherheit. Sie bescheinigt den Angeklagten eine günstige Sozial- und Kriminalprognose, da sie beruflich & familiär eingebunden seien und sich distanzierten.